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[ESO-Geschichte] Die Abenteuer des Sharif al-Kaheem

Melethron
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Grüß euch,

hier wird leider viel zu wenig Fan-Fiction veröffentlicht, also traue ich mich und poste nach und nach meine Geschichte über den Rothwardonen Sharif al-Kaheem. Meine Bitte an euch: falls jemand Feedback geben möchte, eröffnet dafür bitte einen eigenen Thread, damit es hier nicht zu einem Mischmasch aus Geschichte und Feedback kommt. Und noch etwas: Geschmäcker sind verschieden. Was dem einen gefällt, findet der andere einfach nur grauenhaft. Wenn also jemand mit meiner Geschichte nichts anfangen kann, ist das völlig in Ordnung und darf natürlich auch so geäußert werden. Das ändert aber nichts daran, dass hinter dem Avatar ein echter Mensch sitzt. Behaltet das bei etwaiger Kritik im Hinterkopf und bleibt fair. Danke :)
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    Ein neuer Anfang

    Es war zu Beginn des Monats Eisherbst. Eine dunkelgraue Wolkendecke hatte sich im Laufe des Nachmittags über Dolchsturz gelegt. Der Regen prasselte hartnäckig gegen die Scheiben, als Maurice Dupont aus dem Fenster sah und vergeblich versuchte, draußen etwas zu erkennen. „Wo bleibt der *** nur?“ Der beleibte Bretone brummte unzufrieden. Er begann, nervös in dem unmöblierten Haus auf und ab zu laufen. Ein kleines, solides 1-Zimmer-Haus im Ostteil von Dolchsturz, das irgendwann von der Stadt übernommen worden war, nachdem der letzte Besitzer auf tragische Weise den Tod gefunden und es keine Erben gegeben hatte. Dupont sollte sich nun als Beamter der Stadt mit einem Fremdländer aus Schildwacht treffen, der das Haus kaufen wollte.

    Doch der Mann kam nicht. Der Bretone zog schon in Erwägung, einfach zu gehen und durch den Regen zum Gasthaus zu eilen, in der Hoffnung, dass er schon nicht allzu nass werden würde, als jemand kräftig gegen die schwere Holztür klopfte. „Na endlich.“ Dupont eilte zur Tür, um sie zu öffnen. Vor ihm stand ein Rothwardone, Anfang bis Mitte 30, gekleidet in einfache Leinenkleidung, die von einem ledernen Kapuzenumhang zumindest etwas trocken gehalten wurde. Er warf dem Mann einen strengen Blick zu. „Ihr habt mich ganz schön lange warten lassen“, knurrte Dupont gereizt. Der Rothwardone lächelte ihn schief an und erwiderte: „Ich grüße Euch auch. Kann ich reinkommen? Ist etwas nass draußen.“ - „Ja, ja, schon gut, und zum Gruße“, grummelte der Beamte und ging einen Schritt zur Seite, um den potentiellen Käufer hinein zu lassen.

    Dupont schloss die Tür und musterte den Rothwardonen genauer. Der Mann hatte die Kapuze seines Umhangs beim Eintreten zurückgeschlagen. Ein fast schon streng wirkendes Gesicht, wenn er nicht gerade lächelte. Dazu ein gepflegter, kurzer Bart, sowie geflochtene Haare, wie sie für das rothwardonische Volk typisch waren. Die Hände waren sauber und frei von Schwielen. Der Körper wirkte nicht sonderlich muskulös, aber doch in guter Form. Die Kleidung dagegen sah weitaus weniger gepflegt aus. Der Kapuzenumhang war von mäßiger Qualität, ebenso das weiße, leicht verschmutzte Leinenhemd und die braune Stoffhose. Dazu Lederstiefel, die ohne Zweifel auch schon bessere Tage gesehen hatten. Am auffälligsten jedoch waren die Augen. Sie waren ungewöhnlich hell, und Dupont hätte schwören können, dass darin eine gewisse Traurigkeit lag.

    Der Beamte hielt sich nicht lange damit auf, Höflichkeiten auszutauschen, sondern kam rasch zum eigentlichen Anliegen. „Tja, das wäre es also. Ein einzelnes, etwas größeres Zimmer mit Kamin. Schlicht und einfach, doch mit etwas Geschick und Einfallsreichtum kann man aus diesem kleinen Häuschen sicher ein gemütliches Heim herrichten. Dach und Mauern sind in tadellosem Zustand. Ebenso die Tür, die Fenster, und der Kamin. Der Rauchabzug wurde erst vor wenigen Tagen gereinigt.“ Dupont zählte noch einige weitere vermeintliche oder tatsächliche Vorzüge auf. Schließlich nannte er einen nicht gerade günstigen Preis und fügte mit gespieltem Bedauern hinzu, dass er leider nicht um die Summe feilschen könne.

    Der Rothwardone musterte das Haus mit prüfendem Blick, wanderte durch den Raum, klopfte hier an die Wand, öffnete dort probeweise einen Spalt breit eines der Fenster, besah sich den Kamin. Schließlich wandte er sich an Dupont und meinte knapp: „Ich nehme es.“ Der Beamte atmete innerlich erleichtert auf. Diese Rothwardonen waren berüchtigt für ihren Hang zum Feilschen, und das war das letzte, worauf Dupont sich jetzt einlassen wollte. Sein Magen knurrte, und der Regen draußen hatte inzwischen etwas nachgelassen. Je schneller sie das Geschäft abwickeln konnten, umso eher konnte er ins Gasthaus.

    Die Formalitäten waren rasch erledigt, und der Rothwardone erhielt schließlich neben einem Schlüssel eine beglaubigte Urkunde, die ihn zum rechtmäßigen Besitzer des Hauses erklärte. Die beiden Männer verabschiedeten sich höflich voneinander, bevor Dupont eilig zum Gasthaus lief.

    Zurück blieb der neue Besitzer des Hauses. Sharif al-Kaheem ließ noch einmal seinen Blick durch den Raum wandern. Das war es also. Er hatte den entscheidenden Schritt gemacht und würde sein bisheriges Leben endgültig hinter sich lassen, um hier in Dolchsturz neu anzufangen. Doch wie lange konnte man vor seiner Vergangenheit weglaufen?
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    Erste Schritte

    Nachdem er das Haus erworben hatte, machte Sharif sich daran, einen in der Nähe gelegenen Markt aufzusuchen, wo allerlei Stände eine bunte Auswahl an Waren verkauften. Auf dem Markt herrschte reges Treiben. Zwei Mägde tauschten den neuesten Klatsch über irgendwelche Adelshäuser aus. Von irgendwo kam der Duft von frisch gegrilltem Schwein. Ein altmerischer Barde sang eine Ballade, ein hünenhafter Nord und eine Händlerin stritten über den Preis einer Plattenrüstung. Eine junge Bretonin pries ihre Blumen an. Es gab sogar einen Mystiker, der magische Bücher und fremdartig aussehende Gegenstände anbot, deren Zweck sich Sharif nicht so recht erschließen wollte.

    Der Rothwardone fand hier alles, was er für den Alltag brauchen würde. Eine ansehnliche Auswahl an Lebensmitteln von den umliegenden Bauern, Kleidung, Utensilien für den täglichen Gebrauch, Lederrüstung und … Waffen. „Scharf. Spitz. Spricht dem Feind gegenüber eine klare Sprache. Niemand außer Zhosh stellt Schwerter für Euch her, also holt sie Euch direkt hier.“ Sharif hatte den Stand eines Schmiedes erreicht und musterte neugierig dessen Arbeit. Vor allem die Dolche hatten es ihm angetan. Sobald sein Münzbeutel wieder etwas besser gefüllt war, würde er noch einmal hierher kommen und sich ein oder zwei davon aussuchen. Sharif verabscheute den Gebrauch von Waffen, doch manchmal war ein Dolch in jeder Hand einfach überzeugender als schmeichelnde Worte.

    Er nahm seinen Münzbeutel zur Hand und zählte das noch verbliebene Geld darin. Der Kauf des Hauses hatte einen Großteil seiner Ersparnisse aufgebraucht. Das, was dem Rothwardonen an Münzen blieb, reichte selbst bei sparsamer Lebensweise nur noch für drei, vielleicht vier Wochen. Sharif musste also an Arbeit kommen. Und er wusste auch schon sehr genau, wie.

    In Schildwacht hatte er als Junge viele Abende lang damit verbracht, Abenteurern zuzuhören, die im Gasthaus erzählt hatten, wie sie durch Tamriel reisten, faszinierende Orte erkundeten, Kreaturen bekämpften, und sagenhafte Schätze entdeckten. Damals hatte er oft davon geträumt, im Auftrag einer wichtigen Person, einem Adeligen oder Magister, in die Welt hinaus zu ziehen und gefährliche Abenteuer zu bestehen. Im Laufe der Jahre war der Traum verblasst und der nüchternen Realität gewichen, die für ihn ein Leben als Gewürzhändler vorzusehen schien, der eines Tages den Laden seiner Eltern übernehmen würde. Bis zu jenem verhängnisvollen Tag, an dem er durch einen Verrat schlagartig alles verloren hatte. Zu einem umherziehenden Streuner ohne Verpflichtungen und Bindungen geworden, hatte er sich seitdem in den Kopf gesetzt, seinen Kindheitstraum doch noch wahr werden zu lassen. Sharif verlies den Markt und lief zielstrebig Richtung Magiergilde.
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    Magus Valec

    Als Sharif vor der Magiergilde stand, kamen unweigerlich Erinnerungen aus längst vergangenen Tagen hoch. Als Jugendlicher hatte er in Schildwacht wann immer möglich Zeit in der dortigen Gilde verbracht, oft zusammen mit seinem engsten Freund Nadim. Sie hatten stundenlang in Büchern und Atlanten gestöbert, gemeinsam Texte über historische Ereignisse gelesen, oder Karten weit entfernter Regionen studiert und dabei so getan, als ob sie eine Forschungsreise planen würden. Nicht, dass sie alles verstanden oder gar behalten hatten, was in den Büchern stand. Aber darum war es ihnen auch gar nicht gegangen. Für die beiden Freunde hatte nur eines gezählt, dass sie sich wie echte Forscher fühlen konnten.

    Und dann war da noch Najiba, eine Adeptin, die nicht nur attraktiv, sondern auch sehr selbstbewusst gewesen war und sich nicht davor gescheut hatte, einem Magus auch schon mal frei heraus die Meinung zu sagen. Sharif und Nadim waren sofort angetan von der rebellischen Adeptin, als sich ihre Pfade zum ersten Mal in der Gilde gekreuzt hatten. Wie hätten sie auch ahnen können, dass Najiba den beiden noch zum schwerwiegenden Verhängnis werden sollte. Sharif schüttelte verärgert den Kopf. Erinnerungen aus einem früheren Leben, mit dem er nichts mehr zu tun hatte. Er atmete kurz durch und öffnete die Tür zur Magiergilde.

    Im Inneren des Gebäudes zeigte Sharif sich sofort beeindruckt. Das erste, was ihm auffiel, waren die schier endlos vielen Bücher. Wo man auch hinschaute, es gab kaum eine Wand, an der sich nicht ein Regal voller Bücher befand. Viel mehr als in der Gilde von Schildwacht. Magier und Adepten liefen durch die Gildenhalle oder standen vor einem der Regale und lasen. Manche von ihnen machten sich Notizen, andere unterhielten sich leise oder waren mit irgendwelchen Untersuchungen beschäftigt. Es gab auch einige Besucher aus den unterschiedlichsten Gesellschaftsschichten, die die Hilfe der Gilde benötigten oder magische Artefakte kaufen wollten.

    Als eine orkische Adeptin an Sharif vorbeilief, grüßte er freundlich und wollte … Doch sie lief unbeirrt weiter und ignorierte den Rothwardonen. Das Schauspiel wiederholte sich mit zwei weiteren Gildenmitgliedern, bis sich endlich ein älterer Bretone näherte und ihn höflich nach seinem Begehr fragte. Kaum hatte Sharif sein Anliegen geäußert, saß er auch schon vor dem Schreibtisch eines dunmerischen Magus namens Valec.

    Valec war, soweit Sharif das richtig einschätzen konnte, mittleren Alters. Ein schlanker, fast schon hagerer Dunmer, nicht sonderlich groß gewachsen, dazu schwarze, glatte Haare, die bis zu den Schulterblättern reichten. Das schmale, aschgraue Gesicht mit dem kleinen Kinnbart und den dunklen, undurchdringlichen Augen wirkte so emotionslos, dass Sharif beim besten Willen nicht sagen konnte, was in dem Magus vor sich ging. Valec stellte dem Rothwardonen nach einer knappen Einleitung allerlei Fragen, wollte seinen Namen, sein Alter, und seinen derzeitigen Wohnsitz wissen. Ob Sharif lesen, schreiben, rechnen könne. Welche Erfahrungen er bisher als Verliesvagabund gemacht, und welche Orte er schon erkundet habe, und so weiter. Während der Magus die Antworten sorgfältig auf einem Pergament niederschrieb, machte er sich nur selten die Mühe, seinen Blick zu heben und Sharif direkt anzusehen.

    Nun war es jedoch so, dass Sharif praktisch keinerlei Erfahrungen als Verliesvagabund hatte. Genau genommen hatte er die meiste Zeit seines Lebens in Schildwacht verbracht und die Stadt nur selten verlassen, die Alik´r sogar nur ein einziges Mal. Ein Umstand, den der Rothwardone für nicht weiter erwähnenswert hielt. Stattdessen griff er bei seinen Antworten auf das Wissen zurück, das er aus seinen „Studien“ in der Magiergilde Schildwacht noch behalten hatte, und verwob es spontan in eine frei erfundene Geschichte, die ihn als erfahrenen und weit gereisten Abenteurer erscheinen ließ. Falls Magus Valec davon beeindruckt war, ließ er es sich nicht anmerken.

    Der Dunmer legte unerwartet den Federkiel beiseite, ließ seinen Blick noch einmal über das Pergament gleiten, und schaute Sharif unmittelbar an. „Ich denke, das genügt mir. Ich werde mich in Kürze bei Euch melden und Euch wissen lassen, ob Interesse besteht. Das war dann alles. Ihr könnt gehen.“ Der Rothwardone war verdutzt über das abrupte Ende der Befragung. Hatte er zu sehr übertrieben? War seine Geschichte am Ende zu unglaubwürdig? Waren ihm schwere Schnitzer unterlaufen, die ihn als Lügner entlarvten?

    Mit einem unguten Gefühl verließ Sharif die Gilde. Ihm blieb nichts anderes übrig, als abzuwarten und sich in Geduld zu üben.
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    Der verschollene Magier

    Nach seinem ersten Gespräch mit Magus Valec hatte es nur wenige Tage gedauert, bis Sharif per Brief in die Gilde eingeladen wurde. Valec hatte sich bereit erklärt, den Rothwardonen als seinen Gehilfen arbeiten zu lassen, gegen eine Entlohnung, die es ermöglichte, ein gutbürgerliches Leben zu führen. Und Sharif bekäme endlich die Gelegenheit, als Abenteurer durch Tamriel zu reisen. Davon war er jedenfalls fest überzeugt. Doch die Ernüchterung kam rasch.

    Die Aufgaben, die der dunmerische Magier erteilte, beschränkten sich auf Bücher einsortieren, allerlei Botengänge in die Stadt, Bücher wegbringen, leere Tintengläser durch volle ersetzen, Bücher umtauschen … So ging es seit Anfang Abenddämmerung, ohne dass eine Verbesserung seiner Lage in Sicht wäre. Einerseits war es eine gute Möglichkeit, Münzen zu verdienen. Andererseits war er von seinem Traum, ein Leben als Abenteurer zu führen, so weit entfernt wie das sagenumwobene Morrowind von Dolchsturz. Und nun musste Sharif seine Zeit in der Magiergilde auch noch mit einer streitlustigen Ork teilen.

    „Nein, nein, nein! ´Grundlagen der Alchemie´ kommt dort drüben hin. Du musst auf die Kennungen am Buchrücken achten.“ Shagra schüttelte verärgert den Kopf. „Wie oft muss ich dir das noch erklären, Neuling?“ - „Schon gut, ich hab´s ja verstanden“, antwortete Sharif gereizt, während er auf einer wackeligen Leiter das Gleichgewicht zu halten suchte und einen Stapel Bücher einsortierte. Gerade, als er ernsthaft darüber nachdachte, „versehentlich“ eines der Bücher auf den Kopf der orkischen Adeptin fallen zu lassen, erschien zu allem Überfluss auch noch Leynard, der zwar ebenfalls den Rang eines Adepten hatte, sich aber jetzt schon gerne aufspielte wie ein arroganter Magister. Leynard betrachtete die beiden naserümpfend und teilte Sharif herablassend mit, dass Magus Valec ihn sprechen wolle. Sofort. „Wahrscheinlich ist ihm das Pergament ausgegangen, und ich soll ihm neues besorgen ...“, dachte der Rothwardone bei sich, war aber nicht enttäuscht darüber, Shagra für kurze Zeit zu entkommen.

    Magus Valec saß an seinem Schreibtisch und machte sich Notizen, vor ihm lagen reihenweise aufgeschlagene Bücher und diverse Karten. Er schaute kurz auf, als Sharif sich näherte, widmete sich jedoch unmittelbar wieder seiner Schreibarbeit, während er zu sprechen begann. „Sharif, da seid Ihr ja. Ihr wollt doch unbedingt ein Abenteuer erleben.“ War da ein leicht spöttischer Unterton zu hören? „Ich glaube, ich habe da etwas für Euch.“ Der Magier legte seinen Federkiel beiseite und schaute seinen Gehilfen nun direkt an. „Eines unserer Gildenmitglieder, Javier Beriel, ist vor einigen Monaten nach Stros M'Kai gereist, um die dortigen Dwemerruinen zu erkunden. Er hat regelmäßig Briefe geschrieben, doch seit einiger Zeit haben wir nichts mehr von ihm gehört. Wenig überraschend verspürt niemand hier in der Gilde den Drang, eine Insel voller Piraten aufzusuchen. Reist nach Stros M'Kai und findet heraus, wo der Bretone steckt. Falls er noch lebt, bringt ihn zurück nach Dolchsturz.“

    Sharif schaute verdutzt. „Ich soll Kindermädchen spielen und Euren verschollenen Magier suchen?“ Die Enttäuschung war dem Rothwardonen deutlich anzusehen. Magus Valec schaute seinen Gehilfen mit dem für ihn typischen undurchschaubaren Gesichtsausdruck an. „Wenn es Euch lieber ist, könnt Ihr natürlich auch weiterhin Bücher einsortieren. Ich an Eurer Stelle würde die Gelegenheit nutzen und zeigen, was Ihr könnt. Es liegt ganz bei Euch.“

    Zugegeben, Stros M'Kai war nicht gerade ein reizvolles Ziel. Andererseits, es war ein Anfang und allemal besser, als Bücher einzusortieren und sich ständig mit Shagra zu streiten. Nach kurzem Nachdenken antwortete Sharif. „Also gut. Wann soll ich aufbrechen?“ - „In 5 Tagen reist ein Schiff, die Silberstern, von Dolchsturz nach Stros M'Kai. Man wird Euch auf dem Schiff als Passagier anmelden. Nutzt die Zeit bis zu Eurer Abreise und bereitet Euch entsprechend vor. Habt Ihr Erfolg, bekommt Ihr eine angemessene Belohnung. Adept Leynard soll Euch noch einige Dokumente aushändigen, in denen Ihr alle weiteren Informationen findet, die Ihr benötigt. Das wäre dann alles.“

    Damit hatte Sharif seinen ersten „richtigen“ Auftrag bekommen. Wie schwer konnte es schon sein, auf einer kleinen Insel einen Magier ausfindig zu machen …
    Edited by Melethron on 29. December 2024 13:05
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    Schatten der Vergangenheit

    Die Silberstern war in erster Linie ein Handelsschiff, das Waren transportierte und regelmäßig von Dolchsturz nach Stros M'Kai, Abahs Landung, Betnikh, und wieder nach Dolchsturz segelte. Passagiere mitzunehmen war eher ein Nebenverdienst für den Kapitän. Entsprechend bescheiden war das Quartier für Reisende. Eine notdürftig ausgestattete Kammer unter Deck, mit einfachen Betten und Hängematten, einem Sichtschutz, hinter dem man sich umziehen und waschen konnte, sowie einem kleinen Tisch mit Stühlen und einigen Kerzen. Im Gegenzug waren die Kosten für die Reise entsprechend niedrig. Die Magiergilde hatte für Sharifs Reise nach Stros M'Kai offensichtlich nicht mehr Münzen ausgeben wollen als unbedingt nötig.

    Einer der fünf Passagiere, die auf der Silberstern mitreisten, war der bretonische Abenteurer Beryn Duront. Ein sonnengebräunter, unrasierter Kerl von schätzungsweise 40 Sommer, gekleidet in eine Lederrüstung, an der allerlei Beutel, Wurfmesser, Dolche, und Pergamentrollen befestigt waren. Einige Matrosen hatten sich am späten Abend in der Passagierkammer unter Deck um den Bretonen versammelt und lauschten fasziniert einer Geschichte, die er zum besten gab. Sharif hegte keinen Zweifel, dass Beryn bereits einiges erlebt hatte, doch waren seine Geschichten so übertrieben und unglaubwürdig, dass der Rothwardone sich schon bald gelangweilt abgewandt hatte.

    „Ich war in einer scheinbar ausweglosen Lage. Vor mir der blutrünstige Durzog, der mich in die Enge getrieben hatte. Hinter mir der tiefe Abgrund mit einem reißenden Fluss. Die wütenden Goblins waren nur noch gut 20 Schritt von mir entfernt, ich hatte schon den sicheren Tod vor Augen. Da kam mir die rettende Idee ...“ Der Bretone legte eine kunstvolle Pause ein, um die Spannung bei seinen Zuhörern noch weiter zu steigern, bevor er endlich fortfuhr.

    Neben Sharif und Beryn zählten noch eine junge bretonische Heilerin namens Maelys, ein Argonier und ein Dunmer zu den Passagieren. Maelys hatte den ersten Teil ihres Heilerstudiums abgeschlossen und befand sich aus persönlichen Gründen auf dem Weg nach Abahs Landung. Der Argonier, dessen Name sich Sharif beim besten Willen nicht merken konnte, schien eine Art Schamane zu sein. Er redete kaum, und wenn, dann nur in Rätseln und vagen Andeutungen. Der Dunmer war noch geheimnisvoller. Er sagte so gut wie nichts und mied jeglichen Kontakt. Als Beryn dem Dunkelelf einmal hartnäckig ein Gespräch hatte aufdrängen wollen, war der plötzlich aufgesprungen und hatte dem Bretonen ein Messer an die Kehle gehalten. Von dem Moment an wusste jeder, dass es besser wäre, den namenlosen Dunmer in Ruhe zu lassen.

    Beryn war weiter damit beschäftigt, den Matrosen seine wilde Abenteuergeschichte zu erzählen. Maelys und der Dunmer schienen zu schlafen, während der Argonier regungslos auf seinem Bett saß und vor sich hinstarrte. Sharif seufzte leise. Er hatte nicht erwartet, dass die Reise auf einem Schiff so langweilig werden könnte. Man konnte entweder den ganzen Tag auf das Meer starren, oder sich mit Würfel- und Kartenspielen die Zeit vertreiben. Wenigstens verlief die Reise relativ ruhig, und morgen würden sie endlich Stros M'Kai erreichen. Der Rothwardone beschloss, sich ebenfalls hinzulegen und fiel rasch in einen unruhigen Traum …

    Eine Kapelle, prunkvoll geschmückt, die Luft schwer von Blütenduft erfüllt. Familienangehörige, Freunde, Nachbarn, sie alle hatten sich in der Kapelle versammelt und waren in festliche Gewänder gekleidet. Sharifs engster Freund Nadim war ebenfalls unter den Gästen und lächelte ihm aufmunternd zu. Kaum zu glauben, dass sie noch vor wenigen Wochen zutiefst zerstritten gewesen waren, hatten sie doch lange Zeit um Najibas Herz gekämpft. Doch am Ende hatten sie sich zusammengerauft und ihre Streitigkeiten vergessen.

    Sharif und Najiba standen überglücklich vor dem Altar und warteten darauf, dass der Priester mit der Zeremonie beginnen und die beiden vermählen würde. Plötzlich betraten ein Hauptmann und mehrere Wachen die Kapelle und gingen geradewegs auf Sharif zu. „Sharif al-Kaheem, ich verhafte Euch wegen Diebstahls. Ihr habt …“ Der Hauptmann drehte sich zu Najiba und riss ihr ein Amulett vom Hals. „... dieses Schmuckstück gestohlen. Ein Verlobungsgeschenk, das nichts weiter ist als Diebesware.“

    Najiba verpasste Sharif wutentbrannt eine schallende Ohrfeige. Sein Vater Jamar verkündete mit ernster Miene: „Dies ist nicht länger mein Sohn. Von nun an ist er ein Ausgestossener. Und ein Dieb!“ Ein leises Raunen und Flüstern ging durch die Menge. Erst war es nur unverständliches Gemurmel, doch schwillte es rasch an und wurde immer lauter. Als die Wachen den völlig überrumpelten Rothwardonen abführten, waren die Rufe der Menge bereits ohrenbetäubend: „Dieb! Dieb! Dieb!“ - „Ich bin kein Dieb! Ich wurde reingelegt! Ich bin kein … !“ In diesem Moment sah Sharif, wie sein vermeintlich bester Freund Nadim seinen Arm um Najiba legte und bitterböse lächelte.


    Er schreckte schweißgebadet von seinem Lager hoch. Es dauerte einen kurzen Moment, bis Sharif bewusst wurde, wo er sich befand. Eine einzelne, fast abgebrannte Kerze verbreitete noch etwas Licht. Die Matrosen waren längst gegangen, Beryn hatte sich inzwischen ebenfalls schlafen gelegt. Nur der Argonier saß weiter auf seinem Bett und schaute geradewegs zu Sharif. „Die Schatten der Vergangenheit verfolgen Euch, Reisender.“

    „Und wenn schon.“ fauchte Sharif gereizt zurück. Er legte sich wieder auf sein Lager und versuchte, zu schlafen. Vergeblich. Die Worte des Argoniers wollten nicht mehr aus seinem Kopf.
    Edited by Melethron on 11. June 2025 12:35
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    Hundingshafen

    Es war am frühen Morgen, die Silberstern sollte in wenigen Stunden Stros M'Kai erreichen, als die Matrosen plötzlich aufgeregt umherliefen und laut riefen. Die Matrosin im Ausguck, eine junge Bosmer, hatte einen Schiffbrüchigen entdeckt, der sich mit letzter Kraft an einem Stück Treibholz festklammerte.

    Der Schiffbrüchige wurde auf Befehl des Kapitäns eiligst aus dem Meer gefischt. Der völlig entkräftete und verwahrloste Mann, ein Bretone von schätzungsweise 30 bis 40 Jahren, wurde unter Deck gebracht, wo die Heilerin Maelys sich sofort um ihn kümmerte. Seinem schlechten Gesundheitszustand nach war der Schiffbrüchige wohl schon mindestens 3 Tage auf dem Meer getrieben. Da der Mann kaum bei Bewusstsein war und nur unzusammenhängende Worte von sich gab, konnte die Mannschaft vorerst nur über sein Schicksal spekulieren. War sein Schiff Opfer eines Piratenüberfalls geworden? Oder dunmerischer Sklavenjäger? Hatte sich gar ein altmerisches Kriegsschiff bis in die Nähe von Stros M'Kai gewagt? Da es weit und breit keine Hinweise auf eine Bedrohung gab, entschied der Kapitän, den Kurs Richtung Hundingshafen fortzusetzen.

    Sharif und der mysteriöse Dunmer interessierten sich so rein gar nicht für den Mann. Maelys dagegen ging gänzlich in ihrer Rolle als Heilerin auf, als sie sich mit den wenigen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln ausgiebig um den Verletzten kümmerte. Die Bemühungen der Heilerin wurden aus einiger Entfernung schweigend von dem Argonier beobachtet, und er wirkte dabei, als wüßte er, was es mit dem Bretonen auf sich hätte. Beryn wiederum tat das, was er fast immer tat – er redete ununterbrochen und gab der zierlichen Heilerin ungefragt Ratschläge. Als es Maelys irgendwann zu viel wurde und sie Beryn zurecht wies, zog er sich schmollend zurück, nur um kurz darauf eine weitere seiner hoffnungslos übertriebenen Abenteuergeschichten zum besten zu geben.

    Am Mittag des selben Tages erreichte die Silberstern Hundingshafen. Der Schiffbrüchige wurde von einigen Matrosen im Gasthaus Zur kreischenden Meerjungfrau untergebracht, wo er sich weitaus besser erholen konnte als auf einem Schiff, das in erster Linie zum Transport von Waren bestimmt war. Sharif war der einzige Reisende, der in Hundingshafen bleiben wollte, also erklärte er sich aus einer Laune heraus bereit, vorübergehend auf den Bretonen aufzupassen. Da der namenlose Schiffbrüchige am Tag ihrer Ankunft fast ausnahmslos schlief und Sharif ohnehin nicht viel für ihn tun konnte, nutzte der Rothwardone die Zeit, um sich einen ersten Eindruck von Hundingshafen zu machen.

    Die Bewohner von Hundingshafen waren in vielerlei Hinsicht bunt gemischt. Praktisch alle Völker waren hier vertreten, und neben Piraten trieb es viele Gesetzlose auf die Insel, darunter Verbrecher, die für eine Weile Unterschlupf suchten, Händler verbotener Substanzen, Diebe, Schmuggler, Assassinen auf der Suche nach der berüchtigten Jarrinwurzel, die nur auf Stros M'Kai zu finden war. Es gab jedoch auch Handwerker, Händler, Fischer, Kaufleute, und vereinzelt sogar Forscher. Die Insel lockte zudem mit Geschichten über sagenhafte Schätze immer wieder Abenteurer und Glücksritter an, von denen nur die allerwenigsten Erfolg hatten. Einige von ihnen schafften es, mit den letzten ihnen verbliebenen Münzen in ihre Heimat zurückzureisen. Andere schlossen sich, teils aus Verzweiflung, teils aus freien Stücken, den Piraten an. Wieder andere hatten alles verloren und fristeten ein Dasein als Bettler ohne jede Perspektive.

    Und dann war da noch Bhosek der Blutige, der sich selbst Oberhaupt Bhosek nannte. Vor einigen Jahren hatte er den vorherigen Herrscher hinterhältig ermordet und die Macht in Hundingshafen an sich gerissen. Mit Hilfe seiner Schläger, den Blutfäusten, hielt er die Hafenstadt fest in seinem Würgegriff. Besonders gefürchtet war das Grab, Bhoseks Gefängnis. Wer einmal im Grab eingesperrt wurde, dem gelang entweder die Flucht – oder er verrottete dort bis zu seinem Tod.

    Sharif war vom Gasthaus aus an einem kleinen Markt vorbeigekommen und hatte inzwischen den Hafen erreicht. Als erstes brauchte er Nachschub an Münzen. Magus Valec hatte ihm zwar einen halbwegs gut gefüllten Beutel Münzen mitgegeben, doch einen beachtlichen Teil davon hatte Sharif in Dolchsturz für eine neue Lederrüstung und zwei Dolche ausgegeben. Und auch wenn er mit seinem bisherigen Leben in Schildwacht abgeschlossen hatte, auf einige seiner Fähigkeiten wollte er dann doch nicht verzichten. Der Rothwardone schaute sich im Hafen unauffällig um, beobachtete die Blutfäuste und potentielle andere Gefahren, und suchte nach jemandem, der in einer unübersichtlichen Lage besonders unvorsichtig war. Schließlich entdeckte er einen rothwardonischen Kaufmann, der eine Gruppe Matrosen antrieb, während sie sich mühsam mit dem Entladen eines kleinen Kutters abmühte. Ein kurzes Lächeln huschte über Sharifs Gesicht. Er hatte sein Opfer gefunden ...
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    Der Schafhirte und der Barde

    Der bretonische Schiffbrüchige hatte sich seit seiner unfreiwilligen Ankunft auf Stros M'Kai erstaunlich schnell erholt. Schon am dritten Tag war er in der Lage gewesen, sein Bett zu verlassen und die Schenke im Erdgeschoss aufzusuchen. Sharif hatte dem Mann Kleidung und einen Beutel Münzen besorgt. Teils aus Mitgefühl, da Sharif nur zu gut wusste, wie es war, von jetzt auf gleich alles zu verlieren. Teils aber auch aus Kalkül. So war der Schiffbrüchige ihm etwas schuldig, was sich später vielleicht noch als nützlich erweisen konnte.

    So sehr sich Sharif auch bemühte, viel war aus Damien, wie der Schiffbrüchige angeblich hieß, nicht herauszubekommen. Zunächst behauptete der Bretone, ein Schafhirte zu sein, was Sharif ihm von Anfang an nicht glaubte. Damien sprach viel zu gebildet, zeigte eine auffällige Vorliebe für Bücher, und er konnte vermutlich nicht nur lesen, sondern auch schreiben. Hinzu kam eine Schwäche für Wein, Frauen, und einem merkwürdigen Hang zur Philosophie. Das alles wollte nicht so recht zu einem einfachen Schafhirten passen. Sharif seinerseits hielt es allerdings nicht viel anders als Damien und gab von seiner Person so wenig wie nötig preis.

    Selbst als klar wurde, dass seine Geschichte vom Schafhirten unglaubwürdig war, machte der Bretone keinerlei Anstalten, mit der Wahrheit herauszurücken, Dafür wurde er gegenüber Sharif schnell unangenehm anhänglich und beharrte darauf, seinen vermeintlichen Retter als Freund zu bezeichnen – erst recht, als Damien dämmerte, dass der Rothwardone die beste und vorerst wohl auch einzige Möglichkeit war, von der Insel wegzukommen. Zu allem Überfluss musste Sharif feststellen, dass Damien zwar einen gebildeten Eindruck machte, von den Gefahren auf Stros M'Kai jedoch so rein gar keine Vorstellungen hatte.

    Überhaupt schien der Bretone sehr romantische Vorstellungen vom Leben zu haben. Während er im Gasthaus eine erste richtige Mahlzeit zu sich genommen hatte, war Damien mit einer verzweifelten Frau ins Gespräch gekommen, die ihren Sohn vermisste. Der junge Mann, ein Barde, hatte sich im Gasthaus bei einem seiner Lieder wohl etwas zu viele Freiheiten herausgenommen und Bhosek verspottet. Einige Blutfäuste hatten dem Barden daraufhin eine ordentliche Tracht Prügel verpasst, und seitdem fehlte jede Spur von ihm.

    Für Sharif gab es genau drei Möglichkeiten: entweder war der Barde tot, die Blutfäuste hatten ihn ins Grab geworfen, oder er war von der Insel geflohen. So oder so gab es keinen Grund, sich einzumischen und Ärger zu suchen. Damien sah die Sache entschieden anders. Er schwärmte von einem möglichen Abenteuer, und dass man dem Barden und seiner verzweifelten Mutter helfen müsse. Damien redete lange auf Sharif ein, und obwohl der Rothwardone es für eine ganz miese Idee hielt, ließ er sich am Ende dazu überreden, zumindest Nachforschungen über den Verbleib des Barden anzustellen.

    Wie Sharif es erwartet hatte, war das vermeintliche Abenteuer auch schon wieder vorbei, bevor es überhaupt angefangen hatte. Es war nicht allzu schwer, den Barden ausfindig zu machen. Genau genommen hatte der junge Mann wohl mitbekommen, dass jemand nach ihm suchte. Er verließ sein Versteck und bat Damien und Sharif fast schon verzweifelt, nicht weiter nach ihm zu suchen. Er und einige weitere Gefährten hatten eine Gelegenheit gefunden, die Insel zu verlassen, und zum Schutze seiner Familie vor Rache sollten die Blutfäuste und auch seine Angehörigen im Glauben gelassen werden, dass der Barde tot sei.

    Nun standen sie also hinter dem Gasthaus Zur kreischenden Meerjungfrau. Der verzweifelte Barde mit seinen Gefährten auf der einen, Sharif und ein ernüchterter Damien auf der anderen Seite. Während der Barde und seine Gefährten sich nach einem kurzen Abschied auf den Weg machten, um mit Hilfe eines kleinen Segelbootes von der Insel zu kommen, meinte Sharif trocken: „Tja, damit wäre dein Abenteuer wohl vorbei. Ich bin sicher, die Mutter wird Trost in deinen Armen finden. Ich höre mich in der Zwischenzeit ein wenig in der Stadt um. Sobald das Schiff kommt, mit dem ich Stros M'Kai wieder verlassen kann, hole ich dich hier im Gasthaus ab.“ Doch insgeheim dachte Sharif gar nicht daran, sich weiter um Damien zu kümmern. Er hatte bereits zu viel Zeit an diesen Narren verloren. Es galt, endlich den verlorengegangenen Magier namens Javier Beriel ausfindig zu machen und anschließend so rasch wie möglich Stros M'Kai zu verlassen. Dieser Damien würde schon irgendwie zurecht kommen.

    Doch die Dinge entwickelten sich gänzlich anders als erwartet ...
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    Schlechte Neuigkeiten

    „Stecht sie mit einem Stock, macht sie scharf!“ - „Blut! Wir wollen Blut!“ - „Tu'whacca sei mit Euch, kleiner Krieger!“ In einem Hinterhof irgendwo im Hafenviertel betrachtete Sharif mit halbherzigem Interesse zwei Schlammkrabben, die zum Vergnügen einiger Piraten gegeneinander aufgehetzt wurden. Er gab einer Bosmer, die unmittelbar neben ihm stand, beiläufig einen Beutel Münzen. Die Waldelfe prüfte eine der Münzen, nickte zufrieden, und ließ den Beutel rasch verschwinden.

    „Ein Magier, der Javier Beriel heißt, hm? Ja, der Name sagt mir was. Ist schon eine ganze Weile her. Sechs, vielleicht sieben Monate. Ich erinnere mich nur deshalb noch an ihn, weil er hier einigen Staub aufgewirbelt hat.“ - „Sechs Monate? Seid Ihr Euch sicher?“ Sharif wurde stutzig. In Dolchsturz hatte Magus Valec noch gesagt, Beriel werde erst seit wenigen Wochen vermisst. Aber es gab auf Anhieb auch keinen triftigen Grund, warum die Informantin ihn diesbezüglich anlügen sollte.

    Die Bosmer fuhr fort. „Erst war er nur ein weiterer Forscher. Die kommen, suchen draußen in der Wüste irgendwas, dann reisen sie wieder ab. Dann kamen Gerüchte auf. Ein bretonischer Magier soll etwas Interessantes in den Dwemerruinen gefunden haben. Das hat sofort Bhosek auf den Plan gerufen.“ - „Und weiter?“ - „Die haben schnell rausgefunden, dass es dieser Javier Beriel ist, den sie suchen. Der Bretone war nicht sehr schlau. Er wollte nicht mit Bhosek zusammenarbeiten. Erst gelang ihm die Flucht, dann haben sie ihn doch noch erwischt und am hellichten Tag im Hafen verprügelt. Keiner hat sich getraut, ihm zu helfen. Verständlich. Niemand, der halbwegs klar im Kopf ist, legt sich mit Bhosek und seinen Leuten an. Was immer dein Freund in den Ruinen gefunden haben will, Bhosek hat es jedenfalls nicht bekommen.“

    Dem Rothwardonen dämmerte, dass die Suche nach dem Magier möglicherweise doch nicht so einfach laufen würde, wie er bisher gedacht hatte. „Und wo ist er jetzt … ?“ Er wollte bereits weitere Münzen hervorholen, doch die Waldelfe winkte ab. „Ihr könnt ihm nicht mehr helfen. Er ist im Grab.“

    Die Piraten johlten und schrieen, doch Sharif bekam davon kaum noch etwas mit. Er rieb sich nachdenklich mit dem Handrücken das Kinn. In das Grab einzubrechen und möglichst unbemerkt wieder rauszukommen, das sollte in einem Gewölbe voller Nischen und Schatten nicht allzu schwierig sein. Doch wenn der Magier wirklich in Bhoseks gefürchtetem Gefängnis steckte, war er sehr wahrscheinlich geschwächt oder sogar verletzt (wenn er denn überhaupt noch lebte). Sharif war aber kein Nord, der sich einfach jemanden über die Schulter werfen und sich durch eine Gruppe Blutfäuste prügeln konnte. Er brauchte Unterstützung, und das auf einer Insel, wo er niemanden kannte und erst recht niemandem vertrauen konnte. Nach kurzem Überlegen, welche Möglichkeiten ihm blieben, fluchte er leise vor sich hin und verließ den Schlammkrabbenkampf. Der Rothwardone machte sich auf den Weg zum Gasthaus, um dort die einzige Person um Hilfe zu bitten, die ihm auf dieser Insel blieb. Ausgerechnet Damien.
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    Das Grab - Teil 1

    Die Blutfaust bahnte sich wutentbrannt einen Weg durch die Menge. „Ich kriege dich, Bursche, dann kannst du was erleben!“ Sharif rannte so schnell er konnte zu den Piers. Zielstrebig hastete er zu einem bretonischen Handelsschiff, dessen Matrosen letzte Vorbereitungen zum Ablegen trafen. „Haltet den räudigen Hund fest!“ schrie die Blutfaust, die inzwischen nur noch gut 20 Schritt entfernt war. Am Ende des Piers sprang der Rothwardone im letzten Moment auf das Schiff, bevor die Matrosen die Planke einzogen. Die Silberstern setzte sich langsam in Bewegung. Sharif winkte der lautstark fluchenden Blutfaust am Ende des Piers zu und grinste breit, während er in seiner Linken eine gestohlene Piratenflagge hielt.

    3 Tage zuvor …
    Das Grab – Bhoseks berüchtigtes Gefängnis. Ein verwahrlostes Verlies, durchzogen von Pfützen und Dreck. Moosbewachsene Mauern, Kisten und Fässer mit verdorbenen Lebensmitteln, vereinzelt große Holzregale, die aussahen, als könnten sie jeden Moment zusammenbrechen. Dazu eine Luft, die streng nach feuchtem Moder roch.

    Den Eingangsbereich hatten Damien und Sharif unbemerkt passieren können. Nach einigen Schritten tiefer in das Verlies waren sie auf eine mit zahlreichen Löchern versehene Eisenplatte gestoßen – eine Speerfalle. Simpel, und doch gefährlich für Unvorsichtige. Nicht zum ersten Mal an diesem Abend gerieten der Bretone und der Rothwardone in einen kleinen Streit, wie sie am besten vorgehen sollten.

    „Ich hätte einen Knebel mitbringen sollen, um dir den Mund zu stopfen. - Komm jetzt.“ Sharif schaute gereizt zu Damien.
    „Wirf einen Stein auf die Falle, löse sie aus, und gehe dann weiter.“ Damien zuckte verständnislos mit den Schultern.
    „Ja, und nachdem du den Stein geworfen hast und einen Fuss darauf setzt, wird die Falle erneut ausgelöst. Vielleicht. Vielleicht nicht. Wir wollen das nicht herausfinden und wählen den sicheren Weg, verstanden?“

    Sharif griff nach einer der Pflanzen, die in langen Strängen von der Decke herunterhingen, und schwang sich mit ihrer Hilfe über die Eisenplatte. Damien folgte seinem Beispiel. Sharif nahm einen Stein, um ihn auf die Platte zu werfen - sofort kamen Speere aus dem Boden geschossen und glitten kurz darauf langsam wieder zurück. Der Rothwardone warf einen zweiten Stein, und das Spiel wiederholte sich. „Nimm einen Stein und löse die Falle aus, hm?“

    Sie arbeiteten sich vorsichtig tiefer in das Gefängnis, immer nach Wachen Ausschau haltend. Der Modergeruch wich, je weiter sie gelangten, mehr und mehr dem Gestank von Urin, altem Schweiß, verdorbenen Lebensmitteln und weiteren Gerüchen, deren Ursprung wahrscheinlich besser im Verborgenen blieb. Schließlich hatten die beiden Männer die Wahl, einem Gang nach rechts zu folgen, wo es eine Treppe nach unten gab - allerdings auch zwei Blutfäuste Wache hielten. Oder nach links, wo sie sich durch ein großes Loch im Boden nach unten abseilen konnten. Damien und Sharif waren sich ausnahmsweise schnell einig. Je weniger Zeit sie im Grab verbrachten, desto besser. Sie beschlossen, den kürzesten Weg nach unten zu nehmen. Unten angekommen standen sie inmitten des Gefängnistracktes, und ihnen bot sich ein Bild des Schreckens.
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    Das Grab - Teil 2

    Als Damien und Sharif den unteren Abschnitt des Gefängnisses erreicht hatten, wurde dem Rothwardonen für einen kurzen Moment schwindelig. Nicht so sehr wegen des enormen Gestanks und der muffig-stickigen Luft, die hier unten herrschten. Es war die aufkommende Erinnerung an seine Zeit im Gefängnis, als man ihn 3 Jahre lang unschuldig eingesperrt hatte. Und wo er zum ersten Mal mit den Dieben von Schildwacht in Kontakt kam. Der Rothwardone fasste sich rasch wieder, und ihm kam in den Sinn, dass es einen bedeutsamen Unterschied gab. Hier saßen die Leute nicht einfach ihre Strafe ab - sie wurden eingesperrt, um zu verrotten. Bhoseks Gefängnis wurde aus gutem Grund das Grab genannt.

    Zu ihrer Rechten führte ein breiter Gang zu einer Reihe Gefängniszellen und endete rasch in einer Sackgasse. Zu ihrer Linken knickte der Gang im rechten Winkel ab und führte tiefer zu weiteren Zellen. Die beiden Männer durchsuchten zuerst den rechten Teil, auch, weil dort keine Wachen zu sehen waren. Sie stellten rasch fest, dass die Gefangenen grob in drei Gruppen eingeteilt werden konnten. Jene, die noch nicht lange im Grab waren und sich an die Illusion klammerten, eines Tages doch noch irgendwie entkommen zu können. Die große Mehrheit, die stark geschwächt und abgemagert war und entweder den Verstand oder jeglichen Lebenswillen verloren hatte, nicht selten sogar beides. Und schließlich diejenigen, deren sterbliche Überreste bezeugten, dass sie es geschafft hatten.

    Als sie nicht fündig wurden, entschieden Sharif und Damien, im Schutz der Schatten dem linken Gang zu folgen. Aus sicherer Entfernung entdeckten sie am Ende des Ganges zwei Blutfäuste, die Wache hielten und sich gelegentlich einen Spaß daraus machten, einen der Gefangenen zu schikanieren. Für Sharif war die Lage eindeutig. Sie würden sich geschickt und ohne Aufmerksamkeit zu erregen an den Wachen vorbeischleichen. Sollten sie entdeckt werden, würde der Rothwardone sich zurückhalten und Damien kämpfen lassen. Sharif war kein Krieger, und er hielt nichts davon, zu töten. Das überließ er allzu gern anderen.

    Der Bretone hatte allerdings gänzlich andere Pläne und schlug vor, die Wachen abzulenken. Er schlich kurzerhand zurück in den Gang, aus dem sie gekommen waren, hin zu einem Käfig mit Gefangenen, und beleidigte eine der Insassen. Die Frau geriet schnell in Wut, begann wild zu schreien und erregte so die Aufmerksamkeit der Blutfäuste. Damien huschte eiligst zurück zu Sharif und versteckte sich, während die Wachen ahnungslos an ihnen vorbeiliefen. Kurz darauf wurde der Käfig geöffnet, und die Blutfäuste schlugen und traten die Gefangene, um sie zum Schweigen zu bringen. Der Rothwardone kochte innerlich vor Wut. So hatte er sich ein Ablenkungsmanöver nicht vorgstellt. Die beiden Männer standen erneut kurz davor, in einen Streit zu geraten. Nur mit Mühe konnte Sharif sich beruhigen, während sie tiefer in den linken Gang schlichen.

    Auch die Untersuchung der weiteren Gefängniszellen brachte sie nicht weiter. Erst gegen Ende des Ganges, wo ein weiterer Abschnitt abknickte, kamen die beiden an eine Zelle, in der eine dunmerische Piratin behauptete, sich an Magus Javier Beriel zu erinnern. Die Dunkelelfe konnte sich nur mit Mühe auf den Beinen halten. Die Götter allein wussten, wie lange sie hier schon eingesperrt worden war. Und ob sie überhaupt noch bei klarem Verstand war und wirklich die Wahrheit erzählte. Angeblich, so erzählte sie, sei der Magus ihr Mitgefangener gewesen, wenn auch nur für kurze Zeit. Bhosek und seine Blutfäuste konnten hier unten keinen lebenden Magier gebrauchen. Da die Magiergilde keinen Einfluss auf Stros M'Kai hatte, waren Magus Javiers Tage im Grab schnell gezählt. Als Beweis deutete die Piratin auf einen stark verwesten Leichnam und nahm ihm eine Ledertasche ab, um sie Sharif zu geben. Ein Leichnam in zerfledderten Roben war natürlich kein Beweis. Sharif schaute stattdessen kurz in die Tasche und entdeckte sofort ein Notizbuch, das laut einem Eintrag im Innenteil des vorderen Buchdeckels von Javier Beriel verfasst worden war.

    Dem Rothwardonen reichte es. Er hatte inzwischen zu viel gesehen und wollte nur noch so schnell wie möglich raus. Zum Entsetzen von Damien begann er, das Schloss der Zelle zu öffnen, um die Dunmer zu befreien.

    „Hilf mir, sie hier rauszuholen. Sie weiß mehr über unseren Magier.“
    Damien protestierte leise. „Sharif … Wenn du ihr öffnest, wollen alle anderen das auch. Hier bricht gleich ein riesiges Geschrei los ...“
    „Und wenn schon. Ich weigere mich, dieses Elend weiter mit anzusehen.“ erwiderte der Rothwardone trotzig.
    „Du stellst ihr Leben über das der anderen … Zudem sind wir keine Helden. Wir sind zwei stinkende Idioten, die einen wahrscheinlich toten Forscher suchen.“
    „Du bist vielleicht ein Idiot, ich nicht. Komm schon, hilf mir, sie abzustützen, und lass uns hier verschwinden.“

    Als die anderen Gefangenen begriffen, was vor sich ging, kamen schnell die ersten verzweifelten Rufe. Mehr und mehr Gefangene schlossen sich an, in der Hoffnung, von den vermeintlichen Rettern gehört und ebenfalls befreit zu werden. Sharif schaute zu seinem bretonischen Begleiter und meinte besorgt: „Wolltest du nicht ein Abenteuer? Jetzt hast du eins.“

    Damien fluchte lautstark. Jetzt gab es ohnehin keinen Grund mehr, leise zu sein. Sie wollten schnellstmöglich zurück zu der Stelle, wo sie sich abgeseilt hatten, was sich mit einer Dunkelelfe, die kaum noch bei Kräften war, als äußerst schwierig erwies. Zu allem Überfluss hatten die beiden Blutfäuste den Lärm mitbekommen und liefen zurück zu ihren Posten, geradewegs auf Damien, Sharif, und die befreite Insassin zu. Die beiden konnten sich und ihre geschwächte Begleiterin im letzten Moment verstecken. Als die Wachen die leere Gefängniszelle entdeckten, schlugen sie sofort Alarm.

    Jetzt oder nie. Doch als Sharif und Damien losrennen wollten, musste der Rothwardone feststellen, dass die Piratin tot war. Die Anstrengungen und Strapazen ihrer Gefangenschaft waren zu viel gewesen. Sharif ließ die tote Dunmer vorsichtig zu Boden gleiten. Dann rannten sie. Sie rannten den Gang zurück, gefolgt vom Geschrei aufgebrachter Blutfäuste und tobender Gefangenen. Sie rannten, kletterten, rannten wieder, eilten im oberen Teil des Gefängnisses in einen Seitengang, hasteten eine alte Holzleiter hoch ... bis sie schließlich dem Grab entkommen konnten und Tageslicht erblickten, irgendwo abseits von Hundingshafen und nahe eines Strandes.

    Oben angekommen, wollte Sharif seinem Gefährten einen kräftigen Kinnhaken verpassen. Damien wich im allerletzten Moment aus und warf seinem Angreifer Sand ins Gesicht. „Verdammter ***!“ Sharif schäumte vor Wut. „Du hast die Gefangenen den Wachen ausgeliefert! Das war so nicht abgesprochen!“ Der Bretone ließ sich nicht aus der Ruhe bringen und wartete, bis Sharif sich halbwegs beruhigt hatte. Die beiden entfernten sich ein gutes Stück von dem versteckten Ausgang, einem alten Brunnen, und liefen Richtung Strand. Dabei ließ Damien es sich nicht nehmen, den Rothwardonen gehörig zurechtzuweisen. Doch der ignorierte hartnäckig dessen Worte.

    Es war ein durch und durch völlig kopfloser Versuch, einen Gefangenen zu finden und zu befreien. Stattdessen hatten sie nichts weiter als ein altes Notizbuch und jede Menge Ärger mit Bhosek und seinen Wachleuten. Die beiden Männer hatten sich nichts mehr zu sagen, jeder war überzeugt, dass erst das Verhalten des anderen zu diesem Chaos geführt hatte. Von nun an würden sich ihre Wege endgültig trennen. Sie mussten für sich alleine zurechtkommen und sich in den nächsten 3 Tagen vor den Blutfäusten versteckt halten. 3 Tage, bis die Silberstern wieder in Hundingshafen einlief. Ihre vorerst einzige Gelegenheit, so rasch wie möglich von dieser Insel zu verschwinden.
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    Wie ein erbärmlicher Amateur ...

    Sharif war nach dem Einbruch in Bhoseks Gefängnis außerhalb der Stadt untergetaucht, ausgestattet mit einem Beutel voller Lebensmittel und einigen notwendigen Sachen. Als die Silberstern endlich in Hundingshafen einlief, beobachtete er von einem sicheren Versteck aus, wie die Galeone entladen wurde und neue Waren an Bord nahm. Das war seine Gelegenheit, endlich dieser verfluchten Insel zu entkommen.

    Der Rothwardone schlängelte sich durch die Menge im Hafen, stets darauf bedacht, möglichst nicht die Aufmerksamkeit einer Blutfaust zu erregen. Es war zwar unwahrscheinlich, dass die Wachen im Dämmerlicht des Gefängnisses allzu viel von Damien und Sharif erkannt hatten. Doch der Rothwardone wollte sein Glück nicht herausfordern.

    Bis zu jenem Moment, als er zufällig das Gespräch zweier Blutfäuste aufschnappte. Einer der beiden Männer brüstete sich damit, wie er und einige seiner Kameraden ein kleines Piratenschiff auf den Kopf gestellt hatten, dessen Mannschaft in Verdacht stand, Bhosek zu hintergehen. Schließlich hatten sie den Kapitän gezwungen, vor ihnen niederzuknien und ihre Flagge zu übergeben. Während seiner Schilderungen zeigte der Mann höhnisch lachend auf eine Piratenflagge, die er sich unter den Arm geklemmt hatte. Die Versuchung, diesem Burschen einen kleinen Denkzettel zu verpassen, war einfach zu groß. Ohne langes Nachdenken schnappte Sharif sich die Flagge. Der Wachmann brauchte einen kurzen Moment, um zu realisieren, was passiert war, ehe er dem Dieb hinterher jagte.

    Die Blutfaust bahnte sich wutentbrannt einen Weg durch die Menge. „Ich kriege dich, Bursche, dann kannst du was erleben!“ Sharif rannte so schnell er konnte zu den Piers. Zielstrebig hastete er zur Silberstern, dessen Matrosen letzte Vorbereitungen zum Ablegen trafen. „Haltet den räudigen Hund fest!“ schrie die Blutfaust, die inzwischen nur noch gut 20 Schritt entfernt war. Am Ende des Piers sprang der Rothwardone im letzten Moment auf das Schiff, bevor die Matrosen die Planke einzogen. Die Galeone setzte sich langsam in Bewegung. Sharif winkte der lautstark fluchenden Blutfaust am Ende des Piers zu und grinste breit, während er in seiner Linken die gestohlene Piratenflagge hielt.

    Kurz darauf musste er sich gegenüber dem verärgerten Kapitän erklären. Passagiere, die Schwierigkeiten machten, waren verständlicherweise nicht gern gesehen. Erst ein ordentlich gefüllter Beutel Münzen beruhigte die Situation ein wenig. Gut gelaunt ging der Rothwardone unter Deck, um sich einen der Schlafplätze zu sichern. Doch mit der guten Laune war es schnell vorbei, als er sah, wer sich unter den Reisenden befand – ausgerechnet Damien.

    Die beiden Männer waren nicht sonderlich erfreut, einander zu sehen. Trotzdem beließen sie es am Ende lediglich bei ein paar spitzen Bemerkungen. Keiner von ihnen war in der Stimmung, sich erneut zu streiten. Stattdessen setzten sie sich zusammen und tauschten Belanglosigkeiten aus. Doch das Gespräch kam schnell wieder auf ihre kläglich gescheiterte Rettungsaktion in Bhoseks Gefängnis und Sharifs Hang zu unbedachtem Handeln. Damien nannte sein Gegenüber einen ***, der impulsiv handelte und den Drang hatte, sich umbringen zu lassen, was gar nicht mal als Vorwurf gemeint war, sondern dem Rothwardonen lediglich seine unbedachte und riskante Vorgehensweise aufzeigen sollte. Sharif konterte halbherzig. Er hatte die ständigen ungefragten Ratschläge und Weisheiten des vermeintlichen Schafhirten langsam satt.

    Später am Abend ging Sharif zu seiner Schlafstätte. Der Schlaf wollte sich allerdings nicht so recht einstellen. Immer wieder gingen ihm Damiens Worte durch den Kopf. Was auch immer er von dem Bretonen halten mochte, der Mann hatte nicht völlig unrecht. Sharif hatte sich kaum wirklich über Stros M'Kai kundig gemacht. Er würde schon irgendwie zurecht kommen, hatte er sich vor der Abreise gedacht. Auch die eigentlichen Vorbereitungen für die Reise waren mehr als dürftig. Außer einer neuen Lederrüstung und zwei Dolchen hielt der Rothwardone es nicht für nötig, sich groß Gedanken zu machen, was er für die Reise und auf der Insel noch alles bräuchte. Und die Pergamente, die Magus Valec ihm vor der Überfahrt nach Stros M'Kai hatte mitgeben lassen, hatte der Rothwardone nur flüchtig überflogen. Sie hatten ihn schlicht nicht interessiert. Der Einbruch ins Grab war ebenfalls eine völlige Katastrophe. Eigentlich war es geradezu ein Wunder, dass sie nach alledem so glimpflich davongekommen waren. Schließlich war da noch der Diebstahl der Piratenflagge, mit der der Rothwardone sich völlig unnötig in Gefahr gebracht hatte.

    Sharif wollte in Dolchsturz ganz neu anfangen und sich seinen Traum von einem Leben als Abenteurer und Forschungsreisender erfüllen. Stattdessen hatte er sich gleich bei seinem ersten Auftrag aufgeführt wie ein erbärmlicher Amateur ...
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    Auf die Probe gestellt

    Zurück in Dolchsturz, hatten sich die Wege von Damien und Sharif rasch getrennt. Sharif machte sich zielstrebig auf den Weg zur Magiergilde, um ausführlich Bericht zu erstatten, aber vor allem, um sich seine Belohnung abzuholen. Der Rothwardone hielt das Wort Wahrheit schon immer für einen sehr dehnbaren Begriff, und dass es am Ende mehr auf eine gute Geschichte denn auf langweilige Fakten ankam. Entsprechend schilderte er gegenüber Magus Valec den Einbruch in Bhoseks Gefängnis als spannendes Abenteuer, bei dem Sharif stets einen kühlen Kopf bewahrt und seinem treuen, aber leider etwas schusseligen Begleiter Damien mehr als einmal aus der Patsche geholfen hatte. Als er auf den Tod von Javier Beriel zu sprechen kam, sprach der Rothwardone sein Bedauern und seine Anteilnahme aus. Der Magier hörte indessen mit seinem für ihn typischen undurchschaubaren Gesichtsausdruck stillschweigend zu, während er nebenbei das Notizbuch des verstorbenen Bretonen durchblätterte.

    „Interessant.“ Das war alles, was Magus Valec sagte, als sein Gehilfe seine Geschichte beendet hatte. Sharif war fassungslos. Er wusste, dasss Valec nicht gerade zu Gefühlsausbrüchen neigte. Aber etwas mehr Mitleid, wenigstens eine anstandshalber ausgesprochene Floskel wie „möge seine Seele in Frieden ruhen“ … irgendetwas in der Art. „Interessant? Das ist alles?“ - „Oh, natürlich. Eure Belohnung.“ Der Dunmer ging zu seinem Schreibtisch und holte aus der Schublade einen Beutel voller Münzen, den er Sharif zuwarf. „Nehmt Euch heute und morgen frei. Übermorgen reden wir über Eure weitere Zukunft in der Magiergilde.“

    Mit einer solch gleichgültigen Reaktion hatte Sharif nicht gerechnet. Wahrscheinlich hätte es völlig gereicht, hätte er einfach nur gesagt: „Magus Javier ist tot. Hier ist sein Notizbuch. Mehr war nicht zu machen.“ Als er die Gilde verlassen wollte, bemerkte er Adept Leynard, der ihn mitleidig belächelte. Sharif konnte den arroganten Leynard nicht leiden, und sein derzeitiges Verhalten machte es nicht besser. „Grins nicht so blöd.“ - „Ihr seid noch naiver, als ich erwartet hätte. Selbst unsere liebreizende Shagra besitzt ja mehr Verstand. Wusstet Ihr etwa nicht, dass Magus Javier schon lange tot ist? Jeder hier in der Gilde weiß das.“

    Für einen kurzen Moment überlegte Sharif, diesem aufgeblasenen Schnösel einen kräftigen Fausthieb zu verpassen, hielt sich dann aber doch zurück. „Warum sollte Magus Valec mich nach einem toten Gildenmitglied suchen lassen? Das ergibt doch überhaupt keinen Sinn.“ - „Der geehrte Magus Valec wollte Euch schlicht auf die Probe stellen. Habt Ihr wirklich erwartet, gleich zu Beginn einen bedeutsamen Auftrag zu bekommen? Tagtäglich kommen Möchtegern-Abenteurer, die behaupten, sie hätten halb Tamriel bereist, und die hier vorstellig werden, um einen Auftrag von der Gilde zu ergattern. Fühlt Euch geehrt. Magus Valec scheint mit Euch noch etwas vor zu haben. Normalerweise gibt er sich mit Leuten wie Euch nämlich gar nicht erst ab.“ Leynard rümpfte die Nase und ließ den Rothwardonen ratlos zurück.

    Später suchte Sharif sich einen ruhigen Platz im Gasthaus und zählte die Münzen, die Valec ihm als Belohnung gegeben hatte. Ein passables Sümmchen, durchaus, aber bei weitem nicht das, was er sich erhofft hatte. Was ihn aber noch weitaus mehr beschäftigte, war dieser vermeintlich sinnlose Auftrag. Wurde er wirklich auf die Probe gestellt, wie Leynard behauptet hatte? Und was meinte der Adept damit, als er sagte, Magus Valec hätte noch etwas mit Sharif vor? Dann noch die Worte des Magiers: „Übermorgen reden wir über Eure weitere Zukunft in der Magiergilde.“ Das alles gefiel ihm nicht. Sein Vertrauen in Valec war auch so schon von Anfang an sehr überschaubar gewesen. Andererseits … es war Sharifs derzeit beste Gelegenheit, seinen Traum vom Leben als Abenteurer zu verwirklichen. Vielleicht sah er auch einfach nur eine Bedrohung, wo gar keine war, und am Ende entwickelte sich alles ganz anders. Er zuckte innerlich mit den Schultern, nahm einen Schluck aus seinem Humpen und gab sich der Musik des Barden hin, der im Hintergrund spielte.
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    Selbststudium zum Forscher

    Der Federkiel schwang hin und her, begleitet von einem leichten Schaben, als Wort für Wort auf ein Pergament geschrieben wurde. Gelegentlich gab es eine kurze Unterbrechung, wenn Magus Valec die Feder in ein Tintenglas tauchte. Sharif saß dem dunmerischen Magier gegenüber und wartete nervös. Erinnerungen an sein allererstes Gespräch mit Valec kamen hoch, als er sich vor fast 6 Monaten bei der Magiergilde beworben hatte. Nun saß der Rothwardone erneut hier, um mit dem Magus über seine Zukunft bei der Gilde zu sprechen.

    Wie so oft machte sich Valec nicht die Mühe, von seinem Blatt aufzuschauen, als er das Gespräch mit seinem Gehilfen begann. „Wenn Ihr wirklich für die Gilde arbeiten wollt, werdet Ihr deutlich professioneller vorgehen müssen. Es wird Zeit, dass wir aus Euch einen ernstzunehmenden Forschungsreisenden machen.“ - Sharif schaute verdutzt. Er hatte mit allem möglichen gerechnet, aber ganz sicher nicht damit. „Habe ich das richtig verstanden? Ihr wollt mich zu einem Forschungsreisenden ausbilden?“ - „Nennt es lieber ein Selbststudium, bei dem ich Euch unterstützen werde.“

    Magus Valec legte die Schreibfeder beiseite und schaute seinen Gehilfen nun direkt an. „Zuerst erwarte ich, dass Ihr Euch einen Mäzen sucht. Ihr seid kein Mitglied der Gilde, und irgendjemand muss Eure zukünftigen Forschungsreisen ja schließlich bezahlen, nicht wahr?“ - Sharif rieb sich nachdenklich mit seinem Handrücken das Kinn. Natürlich, die Sache hatte einen Haken. „Einen Mäzen. Hier in Dolchsturz. Welcher Adelsmann sollte denn bereit sein, die Kosten für einen völlig unbekannten Schützling zu übernehmen? Ich kann nichts handfestes vorweisen, womit ich irgendjemanden beeindrucken könnte.“

    „Nicht hier in Dolchsturz. Ihr werdet nach Schildwacht reisen und Euch an das Haus Ashere wenden. Ein Empfehlungsschreiben meinerseits ist bereits unterwegs. Natürlich ist das keine Garantie, könnte Eure Möglichkeiten jedoch deutlich verbessern, wenn Ihr Euch klug anstellt. Sobald es Euch gelungen ist, Haus Ashere oder meinetwegen auch einen anderen potentiellen Mäzen von Euch zu überzeugen, bin ich bereit, Euch in Euren Studien zum Forschungsreisenden zu unterstützen. Doch ein Schritt nach dem anderen. Und natürlich werdet Ihr neben Euren Studien Eure bisherige Arbeit für mich fortsetzen.“

    Der Dunmer widmete sich wieder seinem Schreiben, während Sharif gleichermaßen völlig überrumpelt wie ratlos da saß. Ihm gingen zahllose Fragen durch den Kopf. Warum Schildwacht und nicht Dolchsturz? Warum gezielt Haus Ashere, eine einflussreiche und adelige Handelsfamilie? Er hatte schon oft von dem Adelshaus gehört und konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass das Haus sich die Mühe machen würde, einen dahergelaufenen Abenteurer wie ihn als Schützling aufzunehmen. Was, wenn Haus Ashere von seiner Vergangenheit erfuhr? Was den Rothwardonen allerdings am meisten beschäftigte, warum machte Magus Valec sich die Mühe, ihn zu unterstützen? Genau diese Frage war es dann auch, die er laut aussprach.

    Der Dunmer setzte seine Schreibarbeit unbeirrt fort. Fast schon beiläufig antwortete er: „Wir werden später noch darüber sprechen. Bereitet Euch auf Eure Reise nach Schildwacht vor.“ - „Warum?“ hakte Sharif beharrlich nach. Nach den Ereignissen auf Stros M'Kai wollte er dieses Mal mehr wissen und sich nicht so leicht abwimmeln lassen.

    Valec hielt in seiner Arbeit inne, legte den Federkiel seufzend zur Seite und schaute auf. „Habt Ihr eine Vorstellung davon, wie viel Zeit und Münzen in einem Magiestudium stecken? Einen Magus zu verlieren ist keine leichtfertige Angelegenheit. Wenn es also um allzu gefährliche Forschungsarbeiten in der Wildnis geht, vergeben wir sie an Abenteurer und Forschungsreisende, wenn die Arbeiten nicht zwingend ein Mitglied der Gilde erfordern. Da Ihr ein gewisses Talent zu besitzen scheint, bin ich bereit, Euch zu unterstützen. Im Gegenzug werdet Ihr Aufträge für mich erledigen. Das dürfte doch Eurem Wunsch entsprechen, oder etwa nicht? Was Haus Ashere anbelangt, hat es einen ausgezeichneten Ruf. Es steht Euch natürlich frei, einen anderen Mäzen zu wählen.“

    Magus Valec schüttelte verständnislos den Kopf und nahm seine Schreibfeder wieder auf. Das Gespräch schien damit wohl beendet. Der Dunmer hielt sich nur selten mit langen Erklärungen auf. Eine knappe Anweisung, zum Abschied vielleicht noch ein „Bereitet Euch vor.“, fertig. Nachdenklich und ohne ein weiteres Wort zu sagen stand Sharif auf und verließ die Gilde. Draußen vor den schweren Holztüren hielt er inne. Die Worte des Magus klangen eigentlich ganz plausibel. Hatte ihn die Zeit bei den Dieben in Schildwacht so sehr geprägt, dass er überall nur noch Verschwörungen sah? Der Rothwardone atmete tief ein und versuchte, den leisen Zweifel in seinem Inneren zu ignorieren. Nun gut, er stand also unmittelbar davor, ein echter Forschungsreisender zu werden. Sharif lächelte breit. Jetzt galt es nur noch, ein Adelshaus zu beeindrucken.
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    Unerfreuliches Wiedersehen

    Die unter bretonischer Flagge segelnde Windfang war vom Hafen von Dolchsturz aus aufgebrochen und ihrem Ziel inzwischen nahe genug, dass am Horizont die Küste der Alik´r zu erkennen war. Einige Reisende des Passagierschiffes hatten sich an Deck versammelt und hielten voller Vorfreude Ausschau nach der rothwardonischen Hauptstadt. Auch Sharif stand an Deck, doch mit weitaus weniger Begeisterung als seine Mitreisenden.

    Als Magus Valec verkündet hatte, ihn bei einem Selbststudium zum Forscher zu unterstützen, hatte der Rothwardone die anstehende Reise nach Schildwacht, um einen Mäzen für sich zu gewinnen, gar nicht richtig zur Kenntnis genommen. Zu viele andere Dinge waren ihm durch den Kopf gegangen. Erst während seiner Reisevorbereitungen fiel mehr und mehr ein Schatten auf sein Gemüt. Schildwacht war untrennbar mit einer Vergangenheit verknüpft, die Sharif unbedingt hinter sich lassen wollte. Was, wenn er einem Angehörigen seiner Familie oder einem ehemaligen Freund über den Weg lief? Oder gar seiner einstigen Verlobten Najiba? Wie lange würde es dauern, bis seine einstigen Diebesgefährten von seiner Anwesenheit erfuhren? Je näher die Windfang ihrem Ziel kam, desto unruhiger wurde Sharif.

    Gegen Mittag erreichte die Windfang den Hafen von Schildwacht. Die Schiffsglocke wurde geläutet, der Kapitän brüllte Befehle, Matrosen eilten über das Deck und kletterten die Webleinen hoch, um die Segel einzuholen. Leinen wurden zur Befestigung des Schiffes an die am Pier bereitstehenden Hafenarbeiter geworfen, und schon kurz darauf wurde die Planke befestigt, um Matrosen und Passagiere an Land zu lassen. Geradezu misstrauisch schaute Sharif sich um, als er die ersten Schritte auf festem Boden machte. Doch weit und breit war niemand zu sehen, den er kannte.

    Der Rothwardone machte sich nicht die Mühe, die Stadt zu erkunden. Er wollte während seines Aufenthalts in Schildwacht so weit wie möglich unerfreuliche Begegnungen vermeiden. Stattdessen ging er geradewegs zum nächstgelegenen Gasthaus, um sich ein Zimmer zu nehmen. Danach suchte er sich im Schankraum eine stille Ecke nahe der Theke und bestellte eine warme Mahlzeit sowie einen Becher Wein. Später würde Sharif Haus Ashere aufsuchen, das Oberhaupt der Familie mit ein paar Schmeicheleien von sich überzeugen, und dann so schnell wie möglich die Stadt wieder verlassen. Soweit der Plan.

    Es waren nur wenige andere Gäste anwesend, der Wirt säuberte gelangweilt einige Holzbecher, ein Barde war mit der Pflege seiner Harfe beschäftigt, und es herrschte eine angenehme Ruhe, was Sharif nur recht war. Allmählich entspannte der Rothwardone sich und widmete sich ungestört seinem Essen.

    Als er mit einem Stück Brot die letzten Reste auf dem Teller aufwischen wollte, setzte sich ein stämmiger Ork ihm gegenüber an den Tisch. Sharif schaute auf und warf das Brot angewidert auf den Teller. Der Orsimer grinste breit. „Sharif. Schön, dass wir uns wiedersehen.“ - „Das sehe ich anders. Was willst du, Horak?“ - „Begrüsst man so einen alten Freund?“ - „Alt ja. Freund nein.“ erwiderte Sharif trocken. Horak ignorierte den Kommentar seines einstigen Gefährten. „Hab gehört, dass du wieder in der Stadt bist. Gute Neuigkeiten sprechen sich eben schnell rum, nicht wahr? Tja, was soll ich sagen. Der Zeitpunkt deiner Rückkehr könnte kaum besser sein. Sozusagen ein Geschenk der Götter. Oh, entschuldige, du glaubst ja nicht mehr an die Götter. Außer an den Gott der Diebe natürlich.“

    Sharif schaute ungeduldig und fragte gereizt: „Was willst du?“ - Horak beugte sich leicht vor und senkte die Stimme, als er weitersprach. „Komm schon, bei Rajhins sieben Schatten. Warum solltest du wohl zurück nach Schildwacht kommen? Wegen deiner Familie? Wegen Najiba? Hmm? - Wir haben einen ganz großen Fisch an der Angel, brauchen nur noch den richtigen Schlossermeister dafür. Den besten, den wir kriegen können. Lass uns nicht hängen. Wir könnten die guten alten Zeiten wieder aufleben lassen. Du kannst in einer Nacht so viele Münzen verdienen wie ein geschickter Händler in einem ganzen Monat. Willst du dir das wirklich entgehen lassen?“ Horak klopfte dem Rothwardonen aufmunternd auf die Schulter.

    Doch Sharif schaute mit demonstrativem Desinteresse zu seinem Gegenüber. „Viel Glück bei der Suche nach einem Schlossermeister. Ich mache keine Beutezüge mehr, ich bin raus.“ Er fühlte, wie Übelkeit in ihm aufstieg. Er brauchte jetzt dringend frische Luft. Einige Münzen wurden für die Schankmaid auf den Tisch gelegt, bevor Sharif aufstand, um das Gasthaus zu verlassen.

    Als die schwere Gasthaustür hinter dem Rothwardonen zugefallen war, nickte Horak einem in Lederrüstung gekleideten Bosmer am Ende des Schankraumes knapp zu, der Sharif unauffällig folgte.
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    Das Adelshaus und der Dieb

    Der Besuch im Adelshaus Ashere war eine einzige Katastrophe. Zuerst schien alles nach Plan zu verlaufen. Sharif hatte ein kleines Anwesen der Familie aufgesucht und war nach einer kurzen Leibesvisitation von einer Wache in einen edel dekorierten Speiseraum zum Hausherrn Amrán al Sahid gebracht worden. Neben dem Hausherrn, einem gut gebauten Mann im besten Alter und mit wachsamen Augen, saßen an einem üppig gedeckten Tisch seine Gemahlin Rajana-Lua sowie die Leibwache der Familie, Alexia Sele, und schließlich noch ein Rothwardone namens Fayek bin Hatem al-Said. Nach einer kurzen Vorstellung und dem Austausch einiger höflicher Floskeln wurde Sharif gebeten, ein wenig über sich zu erzählen. Das Gespräch entwickelte sich allerdings rasch in eine völlig falsche Richtung.

    „Nun, wie ich bereits sagte, ich bin Sharif al-Kaheem. Gerne würde ich Euch von allerlei Abenteuern berichten, doch muss ich Euch zu meiner Schande gestehen, dass ich noch relativ am Anfang meines Forscherdaseins stehe. Ich habe mich schon früh für Forschungsreisen interessiert und als Kind und auch Jugendlicher jede Gelegenheit genutzt, um in der Magiergilde in allerlei Büchern zu stöbern, die von Abenteuern und fremden Ländern handelten. Nun endlich will ich meinen Traum wahr werden lassen und ein Forschungsreisender werden. Mit Magus Valec von der Magiergilde Dolchsturz habe ich einen wertvollen Lehrer gefunden, der mich unterstützen will.“ Sharif beendete seine kurze, einstudierte Vorstellung mit einem wohlwollenden Lächeln in die Runde.

    Amrán al Sahid gab sich damit allerdings nicht zufrieden, ganz im Gegenteil. „Ich habe richtig verstanden, dass Ihr einen Mäzen sucht, der Euch in Forschung und Magie unterweisen soll?“ - „Vor allem geht es um die … finanzielle Unterstützung. Für Euch ohne Frage ein lohnendes Unterfangen. Denn was würde den Glanz Eures Hauses besser mehren als der Umstand, dass Ihr die Forschung fördert?“ erwiderte Sharif. Der Hausherr zeigte sich nicht sonderlich beeindruckt. „Was die Finanzen betrifft, setze ich wohl kaum auf unbekannte Größen, und Ihr seid eine unbekannte Größe. Warum also solltet Ihr für das Haus Ashere einen Mehrwert darstellen? Erzählt, was Ihr könnt, Eure Geschichte, wer Ihr seid.“

    Sharif dämmerte, dass der Adelsmann keineswegs so leicht zu beeindrucken war, wie zunächst erhofft. Er versuchte es noch einmal mit wohlwollenden Worten. „Ein völlig berechtigter Einwand, mein Herr. Ihr lasst Euch nicht von schmeichelnden Worten einlullen. Was mich nur darin bestärkt, dass es eine gute Wahl war, mich für Euch als Mäzen zu entscheiden. Was mich von anderen Schützlingen unterscheidet? Ich frage Euch, kann man einen Mann aufhalten, der den Träumen in seinem Herzen folgt?“

    Doch Amrán al Sahid ging kaum auf die Worte des Anwärters ein und wollte erneut wissen, was Sharif früher konkret gemacht habe. Der angehende Amateurforscher verdrehte innerlich die Augen. Er hatte wenig Interesse daran, mehr als nötig von sich preis zu geben, antwortete aber freundlich: „Ich bin der Sohn von Gewürzhändlern hier in Schildwacht. Lange war ich im Zwiespalt. Meine Eltern ehren, selbst ein Gewürzhändler werden und ihren Laden fortführen? Oder doch meine Träume in die Tat umsetzen? Es sah zunächst so aus, als würde aus mir ein Gewürzhändler, doch als ich spürte, dass dies nicht meine Bestimmung sei und der Ruf in meinem Herzen unüberhörbar wurde, entschied ich mich, meinem Herzen zu folgen. Meine Eltern hatten leider nur wenig Verständnis für meine Entscheidung, weshalb ich in Dolchsturz neu anfangen wollte und auf der Suche nach jemandem war, der bereit wäre, mich zu unterstützen. So fand ich Magus Valec.“

    Es ging noch eine Weile hin und her. Der Hausherr ließ nicht locker und stellte immer neue unangenehme Fragen, während die anderen drei Anwesenden Sharif beobachteten, um ihn besser einschätzen zu können. Es ging um Sharifs Vergangenheit im Allgemeinen, welche Fähigkeiten er besaß, wie das Verhältnis zu seinen Eltern war … Doch die Themen gingen zusehends in eine bestimmte Richtung, bis ihm schließlich die Frage gestellt wurde: war Sharif jemals kriminell gewesen? Zuerst wich er mit vage gehaltenen Antworten aus, was Amrán al Sahid nur dazu brachte, weiter nachzuhaken. Allmählich dämmerte dem einstigen Dieb, der immer mehr unter Druck gesetzt wurde, dass die Mitglieder des Hauses Ashere sich zuvor gründlich über den Anwärter informiert hatten und von seiner kriminellen Vergangenheit wussten.

    Schließlich platzte Sharif der Kragen. Er hatte keine Lust, sich zum Vergnügen einiger aufgeblasener Adelsleute vorführen zu lassen und erwiderte gereizt: „Wie mir scheint, seid Ihr längst bestens informiert. Ja, ich bin Dieb. Ich habe vor einigen Jahren für meine Verlobte ein wertvolles Schmuckstück gestohlen, um sie zu beeindrucken. Glücklicherweise konnte mein `bester´ Freund den Skandal genau zu meiner Hochzeit aufdecken. Meine Verlobte entschied sich wenig überraschend gegen mich und für meinen vermeintlich besten Freund. Während ich 3 lange Jahre im Gefängnis saß und sich alle von mir abwandten. Tja, einmal Dieb, immer Dieb, nicht wahr? Das war es dann wohl!“ Er machte Anstalten, die Runde wutentbrannt zu verlassen. Nach einem kurzen, scharfen Wortwechsel und der strengen Aufforderung des Hausherrn, Sharif solle sich wieder setzen, gefolgt von der milder ausgesprochenen Bitte, seine Version der Geschichte erzählen, fuhr der einstige Dieb zögernd fort, nachdem er sich beruhigt hatte.

    „Also gut. - Ich habe das Schmuckstück nie gestohlen. Der Mann, den ich für meinen besten Freund hielt, hatte mich verraten, um mir meine Verlobte zu nehmen. Der Händler, von dem ich das Schmuckstück gekauft hatte, wurde anscheinend von meinem Freund gut dafür bezahlt, um gegenüber den Stadtwachen Lügen über mich zu verbreiten, was schließlich zu meiner Verhaftung führte. Da ich nichts Gegenteiliges beweisen konnte, landete ich rasch im Gefängnis. Ein paar Diebe waren die einzigen, die mich im Gefängnis unterstützten und mich lehrten, dort zu überleben. Als ich meine Strafe abgesessen hatte, wollte niemand von meiner Familie oder meinen einstigen Freunden noch etwas mit mir zu tun haben. Ich war schließlich ein Dieb. Vielleicht aus Trotz, vielleicht aus Leichtsinn entschied ich mich, tatsächlich den Weg eine Diebes einzuschlagen. Schnell merkte ich, dass ich Talent hatte, vor allem, wenn es um das Knacken von Schlössern ging. Und dass ich mit diesem Talent in kurzer Zeit viele Münzen verdienen konnte. So ironisch es sein mag, aber es war die perfekte Gelegenheit, um alles hinter mir zu lassen und ein Forscher werden zu können, sobald ich genug Münzen angespart hatte. Es gab schließlich niemanden mehr, auf den ich noch Rücksicht nehmen musste.“ Sharif empfand es als peinlich und demütigend, sich so weit öffnen zu müssen, noch dazu gegegnüber völlig Fremden. Und das alles nur, um einen Mäzen für sich zu gewinnen.

    Der Gastgeber, Amrán al Sahid, seine Gemahlin Rajana-Lua, sowie die Leibwache Alexia Sele und Fayek bin Hatem al-Said zeigten sich nun etwas versöhnlicher. Sie waren anscheinend bereit, Sharif Glauben zu schenken. Vorerst jedenfalls. Man war nicht abgeneigt, dem einstigen Dieb die Möglichkeit zu geben, wieder einen rechtschaffenen Weg einzuschlagen. Was folgte, waren Ausführungen über die Wichtigkeit von Loyalität und Ehrlichkeit, wie sehr diese beiden Werte im Haus Ashere geschätzt wurden, und dass auch von einem Schützling loyales und ehrliches Verhalten erwartet wurde. Sharif nickte brav und bestätigte, dass auch ihm solche Werte wichtig seien – während er sich insgeheim dachte, dass er einen feuchten Dreck auf solch hohlen Phrasen gab. Dienten sie letztlich nur dazu, die Naiven und Leichtgläubigen zu täuschen, wie er bitter hatte lernen müssen.

    Die Familie wollte sich in den nächsten Tagen ausgiebig beraten und Sharif dann mitteilen, ob man ihn als Schützling im Haus Ashere aufnehmen würde. Nach diesem höchst unbefriedigenden Abend kehrte Sharif zurück ins Gasthaus. Er wurde ungeduldig. Zum einen wollte er nicht länger als nötig in Schildwacht bleiben. Zum anderen sah er es als reine Zeitverschwendung an, herumzusitzen und nichts zu tun, in der Hoffnung, einen Haufen Adeliger gut genug amüsiert zu haben, dass sie sich bereit erklärten, seine Studien und Forschungsreisen zu finanzieren. Er war von der Idee des Mäzenentums mittlerweile nur noch angewidert. Andererseits, er brauchte Münzen, und zwar viele.

    Für einen kurzen Moment kam Sharif das Angebot seines einstigen Gefährten Horak in den Sinn, sich an einem äußerst lukrativen Beutezug zu beteiligen. Er verscheuchte den Gedanken rasch wieder. Seine Zeit als Dieb war vorbei, endgültig. Es musste einen anderen, einen besseren Weg geben. Zurück im Gasthaus verfasste der Rothwardone für das Haus Ashere einen Brief, in dem er mitteilte, dass er Schildwacht leider vorzeitig verlassen müsse, jedoch darauf hoffe, schon bald als Schützling im Adelshaus aufgenommen zu werden. Sodann erkundigte er sich, wann das nächste Schiff zurück nach Dolchsturz segelte. Einst seine geliebte Heimatstadt, hatte er es jetzt gar nicht eilig genug, von Schildwacht wegzukommen.
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    Nur dieses eine Mal

    Die Nacht war bereits weit fortgeschritten. Um diese Zeit war kaum noch jemand auf den Strassen von Schildwacht unterwegs. Ein einzelner Betrunkener vielleicht, ein Bettler, der sich verstohlen durch die Gassen schlich und verzweifelt nach Essensresten suchte, oder einfach nur eine streunende Katze. Sahima, eine erfahrene Stadtwache, hielt plötzlich inne, als sie während ihres Rundgangs in einer unbeleuchteten Seitengasse einen Schemen entlanghuschen sah. Argwöhnisch näherte sie sich der Gasse und wartete einen kurzen Moment, ob sich noch etwas regen würde. Sie ging tiefer hinein, beleuchtete mit ihrer Fackel das ein oder andere potentielle Versteck in Form von gestapelten Kisten und Fässern, während die Hand ihres Schwertarms auf ihrer Waffe ruhte. Als Sahima nichts entdecken konnte, zuckte sie mit den Schultern und folgte wieder ihrem vorgegebenen Pfad.

    Einige Minuten später löste sich in der Gasse eine Gestalt aus den Schatten. In Lederrüstung gekleidet, mit hochgezogener Kapuze und Maske, schlich die Gestalt zwei Strassen weiter an einer weiteren Stadtwache vorbei. Schließlich eilte sie verstohlen durch die Stadttore nach draußen zu einem unscheinbaren, hoch aufragenden Felsblock, der ein Stück weit außerhalb der Stadtmauern lag. Ein paar kurze Handgriffe, und es öffnete sich eine verborgene Tür, hinter der eine Steintreppe nach unten führte. Am Ende der Treppe angelangt, blieb die Gestalt stehen und zog Kapuze und Maske herunter. Vor ihr war eine große Halle, wo Diebe, Hehler, Gossenläufer, Betrüger und angeblich sogar der ein oder andere Meuchelmörder sich versammelten. Wo brisante Informationen ausgetauscht wurden, gestohlene Waren den Besitzer wechselten und Diebe ihren nächsten Beutezug planten. Hier war der Diebesunterschlupf von Schildwacht.

    Ein kurzer Blick durch die die gut besuchte Halle, dann ging die Gestalt auch schon zielstrebig zu einem etwas abseits gelegenen Tisch, an dem der Orsimer Horak mit einer älteren Khajiit eine Partie Ruhmesgeschichten spielte. Einige der Diebe ignorierten die Gestalt, doch viele raunten bei ihrem Anblick leise oder nickten ihr respektvoll zu. Als die Gestalt ihr Ziel fast erreicht hatte, sah die Khajiit auf, und ihre Augen weiteten sich vor Erstaunen. Nun schaute auch Horak auf. Als er den Neuankömmling sah, erhob er sich und lächelte breit. „Ich wusste, wir können auf dich zählen, alter Freund.“

    Sharif hob warnend den Zeigefinger. „Nur dieses eine Mal! Danach verlasse ich die Stadt wieder. Haben wir uns verstanden?“ - „Ganz wie du meinst.“ Der Ork klopfte seinem Gegenüber lachend auf die Schulter. „Wollten die feinen Damen und Herren vom Haus Ashere dich nicht haben? Wir sind deine Familie, hier bist du immer willkommen. Ist es nicht so, Zirani-dra?“ Horak warf der Khajiit einen kurzen Blick zu, bevor er sich wieder an Sharif wandte. „Suchen wir uns ein stilles Plätzchen, wir haben viel zu besprechen.“ Der Rothwardone und der Ork verschwanden in eine dunkle Ecke, wo Horak ausführlich den anstehenden Beutezug erklärte.

    Zuvor, am Morgen des gleichen Tages …
    Sharif las den Brief nun schon zum dritten Mal, doch der Inhalt blieb unverändert. Wutschnaubend lief er in seinem kleinen Zimmer im Gasthaus auf und ab. Loyalität und Ehrlichkeit … Er hatte sich gleich gedacht, dass es reine Zeitverschwendung war. Er hatte sich vorführen lassen wie ein Zirkusaffe, um Münzen gebettelt, und zum Dank wurde er bloßgestellt und musste nun erfahren, dass alles vergebens war. Haus Ashere teilte mit Bedauern mit, dass sie vorerst doch davon absahen, Sharif als Schützling aufzunehmen. Loyalität und Ehrlichkeit … Der Rothwardone schnappte sich eine einfache Blumenvase auf dem Nachttisch und wollte sie bereits wutentbrannt gegen die Wand werfen, hielt aber im letzten Moment inne. Behutsam wurde die Vase wieder auf ihren Platz gestellt. Mochte die Mehrheit der Götter sich auch einen Spaß aus seinen Leiden machen, es gab immer noch einen Gott, der auf seiner Seite stand. Sharif hatte noch zwei Tage, bevor er mit einem Schiff zurück nach Dolchsturz segeln würde. Zeit, die es zu nutzen galt. So leicht wollte er sich nicht von seinen Zielen abbringen lassen. Ohne groß nachzudenken, beschloss der Rothwardone, noch einmal auf seine Diebesfähigkeiten zu setzen. Nur dieses eine Mal ...
    Edited by Melethron on 8. July 2025 10:13
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    Beutezug

    Halam war kein Mann, der einer Frau schnell schöne Augen machte. Schon gar nicht, wenn er in Schildwacht vor der schweren Holztür eines kleinen Herrenhauses seinen Dienst als Wachmann tat. Er war stolz auf sein Pflichtbewusstsein und tat alles, um seinen derzeitigen Herrn, einen wohlhabenden Händler und Kunstsammler namens Bahadur al Ghani, nicht zu enttäuschen. Als allerdings am späten Abend eine junge rothaarige Bretonin in einem edlen schulterfreien Kleid die Strasse entlang lief und Halam kokett anlächelte, fiel es selbst ihm schwer, sich zu konzentrieren. Die Bretonin war der kostspieligen Kleidung und ihrem Schmuck nach anscheinend eine Adelige, die von einem Ball oder ähnlichem zurückkehrte. Es war schon sehr gewagt, zu so später Stunde alleine durch die Strassen zu laufen und sich zur Zielscheibe für Diebesgesindel zu machen, dachte Halam bei sich, um sich abzulenken und nicht dem betörenden Anblick der jungen Frau nachzugeben.

    Plötzlich ging alles ganz schnell. Ein Dieb tauchte aus den Schatten auf, riss der Frau ihre Kette vom Hals und stieß sie dabei unsanft zu Boden. Sie schrie vor Schmerz auf. Als der Dieb wegrannte, sah die Bretonin flehentlich zu Halam. Der Wachmann zögerte. Er wollte seinen Posten nicht verlassen, und dem Dieb hinterher zu rennen wäre ohnehin zwecklos. Andererseits … Halam konnte die Adelsfrau nicht einfach im Staub der Strasse sitzen lassen. Er gab sich einen Ruck und eilte zu ihr. „Seid Ihr verletzt? Wartet, ich helfe Euch auf.“ Im nächsten Moment wurde es schlagartig dunkel.

    „Der Bursche ist ja schwerer als ein ausgewachsenes Kamel“ stöhnte Sharif, als er zusammen mit Horak den bewusstlosen Wachmann von der Strasse schleifte. Vivienne, die das vermeintliche Opfer gespielt hatte, war inzwischen wieder auf den Beinen und behielt die Strasse im Auge. Die Bretonin wusste sehr genau, wie sie ihre Reize einsetzen musste, um einen Mann (oder auch eine Frau) schwach werden zu lassen und abzulenken. Sharif hatte die Rolle des Strassendiebes übernommen. Horak hatte nur noch auf eine günstige Gelegenheit warten brauchen, um dem ahnungslosen Halam von hinten eins über den Schädel zu ziehen.

    Das vierte Mitglied der Diebesbande stieß nun ebenfalls dazu. Ein schlacksiger Junge, kaum mehr als 20 Sommer, der beim Anblick seiner rothaarigen Komplizin bis über beide Ohren grinste. „Hallo Vivienne. Schön, dich zu sehen.“ - „Vergiss es, Pilou. Schnapp dir die Klamotten von der Wache und nimm deinen Posten ein.“ erwiderte Vivienne kühl. Pilou war seit frühester Kindheit auf der Strasse aufgewachsen und ein ausgezeichneter Gossenläufer. Er sollte heute Abend die Position des Wachmanns einnehmen. Natürlich würde Pilou bei genauerem Hinsehen sofort auffallen. Es sollte jedoch ausreichen, einen flüchtigen Beobachter glauben zu lassen, vor dem Haus al Ghani sei alles in bester Ordnung.

    Halam lag gefesselt und geknebelt hinter einigen Kisten einer Seitengasse. Vivienne hatte sich zurückgezogen, und Pilou stand nun, in Halams viel zu großer Kleidung, vor der Tür des Herrenhauses und übernahm die Rolle des Wachmanns. Beim kleinsten Zeichen von Gefahr würde der Gossenläufer die beiden Diebe mit einem lauten Pfiff warnen.

    Das Schloss der Eingangstür war recht schnell geknackt. Dahinter befand sich eine kleine, prachtvolle Halle, in deren Mitte eine große Feuerschale und mehrere Kissen platziert waren. Links und rechts der Halle gab es je eine Treppe, die ins Obergeschoss führte. So gut wie überall waren Gemälde, Skulpturen, Vasen und andere Relikte verschiedenster Kulturen ausgestellt. Einiges davon durchaus wertvoll, anderes nur wertloser Plunder oder gar Fälschungen. Da der Hausherr und sein einziger Bediensteter für zwei Tage verreist waren und sonst niemand hier lebte, konnten die beiden Diebe sich ungestört im Haus bewegen. Sharif und Horak liefen zielstrebig zur linken Treppe. Darunter war eine kleine Nische, wo sie begannen, mehrere Kisten rasch beiseite zu schieben, um eine unscheinbare Bodenluke freizugeben. Horak machte es kurz und riss das Vorhängeschloss an der Luke mit einem kräftigen Ruck ab. Er zündete eine Fackel an, bevor sie eine Leiter hinabkletterten, die in einen kurzen Gang führte. Am Ende des Ganges befand sich eine schwere, mit Eisen beschlagene Holztür.

    Dieses Mal brauchte Sharif etwas mehr Zeit, um das Schloss zu öffnen, doch letztlich gab es für den Schlossermeister auch hier keine wirkliche Herausforderung. Langsam wurde er stutzig. „Warum hast du darauf bestanden, dass ausgerechnet ich mitkomme? Mit den Schlössern, die ich bisher knacken sollte, wären auch andere fertig geworden.“ Der Ork grinste, während er die schwere Holztür langsam öffnete. „Dafür, alter Freund. Jetzt kannst du beweisen, wie gut du wirklich bist. Meinst du, du kriegst das hin?“ Es war ein schlichter kleiner Raum mit Steinmauern. In der Mitte des Raumes, in einer Vitrine auf einem kleinen Podest platziert, wartete ihre Beute – eine etwa handgroße Figur eines Salamanders, gefertigt aus blauem Saphir.

    Es gab Gerüchten zufolge drei Stück von diesen Figuren, jeweils aus blauem, rotem, und gelbem Saphir. Angeblich waren sie einst in einem Wettstreit angefertigt worden von einem Orsimer, einem Altmer, und einem Nord, die in Streit geraten waren, wer von ihnen der beste Juwelenschleifer sei. Alle drei Salamander waren so vollkommen, so perfekt, dass am Ende niemand den Sieg für sich in Anspruch nehmen konnte. Hatten die Figuren auch keinerlei archäologischen Wert, unter Kunstsammlern waren sie extrem begehrt. Und zwar so sehr, dass manch einer nicht einmal vor Diebstahl zurückschreckte.

    Zwischen den beiden Dieben und ihrer Beute standen nur noch zwei Schlüssellöcher, die jeweils in der linken und rechten Steinmauer des Raumes eingelassen waren. Der Rothwardone kannte solche Schutzmaßnahmen nur zu gut. Um die Vitrine zu öffnen, mussten zunächst die beiden Schlösser geknackt werden. Sobald das erste Schloss offen war, blieb nur eine kurze Zeitspanne für das zweite, um das Auslösen einer Falle zu vermeiden. Das genügte, um viele Diebe vor einem Einbruch abzuschrecken. „Fangen wir an.“ erwiderte Sharif knapp.

    Der Schlossermeister rieb sich mit dem Handrücken nachdenklich das Kinn, während er die beiden Schlösser nacheinander ausgiebig untersuchte. Er machte sich an die Arbeit und nahm sich zuerst das linke Schloss vor. Schnell musste er feststellen, dass die einzelnen Stifte nur mit besonderem Geschick in die richtige Position zu bringen waren. Wie nicht anders zu erwarten, hatte sich jemand reichlich Mühe gegeben, es einem Dieb schwer zu machen. Behutsam bearbeitete Sharif einen Stift nach dem anderen, wobei er immer wieder mehrfach ansetzen musste.

    Nach einer gefühlten Ewigkeit hakte der letzte Stift ein, das Schloss war geöffnet. Genau in diesem Moment erklang eine sanfte Melodie wie von einer Spieluhr. Die beiden Männer ahnten, wenn der letzte Ton erklang, bevor das zweite Schloss geknackt war, würde es für die beiden höchst unangenehm werden. Sharif kniete nieder und nahm sich erneut einen Stift nach dem anderen vor. Das zweite Schloss war ebenso schwer zu knacken wie das erste, und der Zeitdruck machte die Sache keineswegs leichter. Drei Stifte waren bereits in der richtigen Position, zwei fehlten noch, als neben der Melodie nun auch noch ein langsames Rattern und Knartzen wie von einem Mechanismus einsetzte. Horak wurde unruhig. „Macht es dir was aus, dich zu beeilen? Ich bekomme gerade ein richtig mieses Gefühl bei der Sache.“ - „Über deine Gefühle können wir später noch reden.“ erwiderte Sharif trocken. Doch innerlich war er keineswegs so entspannt, wie er sich gab. Der vierte Stift hakte ein. Nur noch einer.

    Plötzlich erstummte die Melodie, das Rattern und Knartzen dagegen nahm an Fahrt auf. Sharif verzichtete nun auf allzu vorsichtiges Vorgehen und ging stattdessen auf volles Risiko. Endlich, der letzte Stift war an seiner Position. Die Tür zur Vitrine sprang auf. Doch zum Entsetzen der beiden Diebe setzte der Mechanismus keineswegs aus. Als die Tür zuzufallen drohte, eilte Horak zu ihr, um sie im letzten Moment mit aller Kraft festzuhalten. Im gleichen Moment senkte sich zügig die Decke des Raumes. Sharif schnappte sich den blauen Saphirsalamander und stürmte aus dem Raum. Dabei packte er seinen Gefährten und riss ihn mit. Hinter ihnen fiel krachend die Tür zu. Nur wenige Augenblicke später hörte man das Splittern von Glas und Holz.

    Die beiden Diebe eilten nach draußen, wo Pilou schon auf sie wartete. Nachdem der Gossenläufer die Verkleidung abgestreift hatte, gingen die drei geradewegs zum Diebesunterschlupf, wo Vivienne und ein Mittelsmann bereits auf sie warteten. Nach einer äußerst akribischen Untersuchung des Salamanders gab es als Belohnung einen gut gefüllten Beutel voller Edelsteine, die sie bei einem Hehler gegen Münzen umtauschen konnten. Edelsteine waren deutlich leichter zu transportieren als ihr Wert in Münzen, und sie ließen keine Rückschlüsse zu wie ein Pfandbrief, der bei der Bank eingelöst werden musste.

    Die Wege der Diebesgefährten trennten sich noch in der Nacht. Sharif zog sich zurück in sein Gasthaus und wartete darauf, in den frühen Morgenstunden mit einem Schiff nach Dolchsturz zu reisen. Er hatte bekommen, was er wollte. Und fühlte sich doch elend.
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    Zwei Welten

    Von der Rückfahrt nach Dolchsturz auf der bretonischen Windfang bekam Sharif nur wenig mit. Die meiste Zeit über war er unter Deck, lag oder saß auf seiner Schlafpritsche und mied so weit wie möglich den Kontakt sowohl zur Schiffsmannschaft als auch zu den anderen Reisenden. Der Rothwardone war zu sehr mit sich selbst beschäftigt.

    Er hatte in Dolchsturz einen Neuanfang gewagt und sein ganzes Erspartes für ein kleines Haus ausgegeben. Er hatte Arbeit in der Magiergilde und sogar einen Mentor gefunden. Er hatte genug Münzen (genauer: Edelsteine, die er bei einem Hehler gegen Münzen umtauschen konnte), um einen ersten Teil seines Selbststudiums und eine damit verbundene Forschungsreise zu bezahlen. Sharif war an seinem Ziel angekommen.

    Und dennoch war der angehende Amateurforscher von Selbstzweifeln geplagt. Die Suche nach einem Mäzen war eine einzige Niederlage, und es war nur eine Frage der Zeit, wann er erneut vor Geldproblemen stehen würde. Seinen Mentor Magus Valec würde Sharif bezüglich der Herkunft seines plötzlichen Vermögens belügen müssen. Und schließlich war er trotz aller guten Vorsätze erneut zum Dieb geworden.

    Eine Sache bereitete dem Rothwardonen besonders Unbehagen. Als er nach seiner Zeit im Gefängnis als Dieb in Schildwacht aktiv war, waren die Beutezüge nur eine Art Trotzreaktion auf seine Familie und Freunde, die ihn verstossen hatten. Und zugleich ein notwendiges Übel, um möglichst rasch genug Münzen für einen Neuanfang anzuhäufen. Doch dieses Mal war es anders ... So schwer es Sharif fiel, es sich einzugestehen – das Ausknobeln und die Umsetzung des Beutezuges, der damit verbundene Nervenkitzel, die Zusammenarbeit mit Horak, Vivienne und Pilou, das mehr als knappe Entrinnen aus der Falle, all das hatte er insgeheim sichtlich genossen.

    Seit seiner Kindheit war es sein sehnlichster Wunsch, als Abenteurer die Welt zu entdecken und nach seiner Rückkehr von einer Reise im Gasthaus staunenden Zuhörern bei einem Humpen Bier spannende Geschichten zu erzählen. Stattdessen schien es Sharif immer wieder zurück zu den Dieben zu ziehen. Zwei Welten, und er wusste weniger denn je, zu welcher er gehörte.
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    Analytische Problemlösung

    Zurück in Dolchsturz, stürzte Sharif sich in die Arbeit. Zuerst suchte er die Magiergilde auf, um Magus Valec Bericht zu erstatten. Da Sharif inzwischen wusste, dass sein Mentor mit ausführlichen Geschichten nicht zu beeindrucken war, beließ der Rothwardone es bei dem knappen Hinweis, dass er einen Mäzen gefunden habe, der jedoch -aus welchen Gründen auch immer- erst einmal namentlich nicht genannt werden wollte. Magus Valec zeigte sich überraschend schnell zufrieden und stellte keinerlei Nachfragen an, sondern überreichte seinem Schüler eine Liste mit mehreren Lehrbüchern. Ein Großteil der Literatur handelte von den allgemeinen Grundlagen für angehende Forscher, zwei Bücher befassten sich mit Forschungsreisen, und zwei weitere waren eine Einführung in die Geschichte sowie Tier- und Pflanzenwelt von Betnikh. Damit war das Ziel für Sharifs erste Forschungsreise festgelegt

    Magus Valec war der Ansicht, dass die Orkinsel gleich in mehrfacher Hinsicht ein perfekter Einstieg wäre. Mit den Orks würde der angehende Amateurforscher auf eine ihm nicht allzu vertraute Kultur stossen, da die Orks auf Betnikh laut dem Magier gänzlich anders waren als ihre Vettern in den großen Städten. Sharif müsste zudem eine, wenn auch kurze, Schiffsreise mit Ausrüstung planen und organisieren. Und schließlich bot Betnikh neben der dortigen orkischen Kultur einige interessante und zugleich relativ ungefährliche Ayleidenruinen.

    Am darauffolgenden Tag suchte der Rothwardone eine Hehlerin im Untergrund von Dolchsturz auf, um einen ersten Teil der Edelsteine gegen eine stattliche Anzahl Münzen umzutauschen. Bei der Gelegenheit machte Sharif die eher unfreiwillige Bekanntschaft mit einem Khajiit namens Fangzahn, der wohl auf der Suche nach einem Partner für irgendwelche zweifelhaften Nachforschungen im Hafen war und dafür ein hübsches Sümmchen Gold anbot. Er lehnte dankend ab, nutzte aber nach einigem Zögern Fangzahns Dienste als Informant. Sharif wollte sicher gehen, dass sich so schnell niemand nach ihm erkundigte oder ihn gar mit dem Beutezug in Schildwacht in Verbindung brachte. Gegen einen Beutel Münzen erklärte Fangzahn sich bereit, seinen neuen „Kunden“ umgehend zu informieren, falls jemand unangenehme Nachforschungen in dieser Richtung anstellte.

    In seinem Haus gab es in der nächsten Zeit ebenfalls einige Veränderungen. Hatte er wirklich ein Haus gekauft, nur um auf einer einfachen Strohmatte zu schlafen und sich mit ein paar schäbigen Möbelstücken zufrieden zu geben? Er brauchte etwas besseres, erst recht, da Sharif nun reichlich Gold zur Verfügung stand. Als erstes gab er bei einem Schreiner den Bau einer Dachkammer in Auftrag. Die Kosten dafür waren allerdings so erschreckend hoch, dass von der ursprünglichen Idee, zahlreiche edle Möbel zu kaufen, nicht mehr viel übrig blieb und es nur noch für etwas bessere, aber gebrauchte Möbel reichte. Schließlich musste noch die Reise nach Betnikh sowie Ausrüstung bezahlt werden. Für bessere Möbel war später immer noch Zeit.

    Der Alltag sollte für den Amateurforscher in der nächsten Zeit sehr strukturiert ablaufen. Vormittags war er wie bisher der Gehilfe von Magus Valec, sortierte Bücher ein, machte Botengänge, besorgte neue Pergamentbögen oder Tinte, sortierte noch mehr Bücher ein, und schlug sich wahlweise mit der streitlustigen Adeptin Shagra oder dem arroganten Adepten Leynard herum. Nachmittags dagegen war Sharif von jeglichen Pflichten freigestellt und konnte sich gänzlich seinen Studien widmen oder erste Vorbereitungen für seine Reise nach Betnikh treffen. Er las Bücher, machte sich Notizen, studierte die Karte der Ork-Insel. Es war wie damals in seiner Kindheit und Jugend, als Sharif mit seinem ehemals besten Freund Nadim in zahllosen Büchern gestöbert und sie Forscher gespielt hatten. Nur, dass es dieses Mal kein Spiel war, sondern die Vorbereitung auf seine erste richtige Forschungsreise. Der Rothwardone blühte regelrecht auf. Vergessen die Frage nach der zukünftigen Finanzierung seines Studiums. Vergessen auch das Dilemma um seine Vergangenheit und sein Dasein als Dieb.

    Es war bereits spät am Abend, als Sharif einmal mehr über seinen Büchern saß. Die meisten Mitglieder hatten die Gilde bereits verlassen, und auch der Amateurforscher überlegte, Richtung Gasthaus aufzubrechen, als ihm eine spontane Idee kam. Er hatte kurz zuvor noch in einem Buch gelesen mit dem Titel „Analytische Problemlösung“. Warum sollte er nicht mal versuchen, mit dieser Methode herauszufinden, wie er sein Studium in Zukunft bezahlen konnte? Sharif glaubte nicht, dass es wirklich funktionieren würde, doch zumindest war es eine gute Möglichkeit, das Erlernte praktisch anzuwenden.

    Zuerst notierte er seine aktuelle Lage und was er bereits erreicht hatte. Dann schrieb er sämtliche Möglichkeiten auf, um regelmäßig an Münzen zu kommen, egal, wie abwegig sie auch schienen. Doch schnell machte sich Ernüchterung breit. Seine derzeitige Lage war zwar weitaus besser, als Sharif sich bisher bewusst war. Er war endgültig an seinem Ziel angekommen und musste einzig und allein die Frage des Goldes klären. Aber genau da war das unlösbare Problem. Ein Mäzen kam nach den Erfahrungen mit Haus Ashere keinesfalls in Frage. Seine Arbeit als Gewürzhändler wieder aufzunehmen, brachte ihn auch nicht weiter. Zwar hatte Sharif bei seinen Eltern das Handwerk des Händlers erlernt und kannte sich auch gut mit Gewürzen aus. Doch erstens blieb dann kaum noch Zeit für die Forschung. Und zweitens wäre das Einkommen so gering, dass er sein Leben als Forscher gleich wieder aufgeben konnte. Es blieb nur eine Möglichkeit, wie er dank seiner Fähigkeiten in relativ kurzer Zeit mehr als genug Münzen verdienen konnte. Ausgerechnet Beutezüge. „Was für ein Unsinn.“ murmelte der Amateurforscher verärgert und zerknüllte den Zettel, auf denen er seine Gedanken festgehalten hatte. Er räumte seinen Platz auf, nahm sich seinen ledernen Kapuzenumhang, und steckte den zerknüllten Zettel in eine seiner Taschen, um ihn später irgendwo unauffällig zu verbrennen.

    Im Gasthaus angekommen hatte Sharif den Zettel längst vergessen. Er suchte sich einen abgelegenen freien Tisch und bestellte bei der Schankmaid einen Humpen Bier sowie eine einfache warme Mahlzeit. Die anderen Gäste schenkten ihm keine große Beachtung, war der Rothwardone doch inzwischen ein vertrauter Anblick im Gasthaus. Spät am Abend, auf dem Weg nach Hause, kam dem Rothwardonen wieder die Frage nach einer Geldquelle in den Sinn – und damit der zerknüllte Zettel in seiner Tasche. Er holte ihn noch einmal hervor und glättete ihn. Nachdenklich lief Sharif weiter und rieb sich mit dem Handrücken das Kinn, während er auf den Zettel blickte und immer wieder das Wort „Beutezüge“ las.
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